Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Sie wusste noch, wie sie den Mund geöffnet hatte, um zu sprechen, und wie Scott ihr einen Zeigefinger
    (pst)
    auf die Lippen gelegt hatte. Sie erinnerte sich, gedacht zu haben, wie seltsam es doch war, dass sie in dieser tropischen Umgebung Winterklamotten trugen, und sah, dass er Angst hatte. Dann waren sie wieder draußen im Schnee. In diesem verrückten Platzregen aus Oktoberschnee.
    Wie lange waren sie an dem Zwischenort gewesen? Drei Sekunden? Vielleicht sogar weniger. Aber während sich Lisey jetzt kriechend fortbewegte, weil sie sich vor Schwäche und Schock nicht auf den Beinen halten konnte, war sie endlich bereit, sich die Wahrheit einzugestehen. Bis sie an jenem Tag ins Antlers zurückgekommen waren, hatte sie es beinahe ge schafft, sich einzureden, es wäre nie geschehen, aber es hatte sich ereignet.
    »Sogar noch mal«, krächzte sie. »Es ist in dieser Nacht wie der passiert.«
    Sie war so verdammt durstig. Wünschte sich nichts sehnli cher als noch ein Glas Wasser, aber die Barnische lag natür lich hinter ihr, wenn sie Wasser wollte, war sie in der falschen Richtung unterwegs, und sie erinnerte sich, wie Scott an je nem Sonntag auf der Heimfahrt einen von Ole Hanks Songs gesungen hatte: All day I've faced the barren waste / Without a single taste of water, cool water.
    Du kriegst dein Glas Wasser, Babylove.
    »Wirklich?« Noch immer nur ein Krähenkrächzen. »Ein Glas Wasser würde bestimmt helfen. Es tut so weh.«
    Darauf folgte keine Erwiderung, und vielleicht brauchte sie auch keine. Endlich hatte Lisey die um die leere Zedernholzschatulle herum verstreuten Gegenstände erreicht. Sie griff nach dem gelben Quadrat, rupfte es von der purpurroten Speisekarte und hielt es mit einer Hand fest umklammert. Sie lag auf der Seite – derjenigen, die nicht schmerzte – und betrachtete es genauer: die kleinen Zeilen aus Häkelknoten, die winzigen Maschen. Das Blut an ihren Fingern befleckte die Wolle, aber das nahm sie kaum wahr. Aus solchen Quadraten hatte Good Ma viele Dutzende von Decken hergestellt: Häkeldecken in Rosa und Grau, Häkeldecken in Blau und Gold, Häkeldecken in Grün und feurigem Orange. Sie waren Good Mas Spezialität und quollen aus ihren Nadeln, eine nach der anderen, während sie abends vor dem plappernden Fernseher saß. Lisey erinnerte sich, wie sie als Kind geglaubt hatte, diese »Afghan« genannten Häkeldecken hießen »African«. Ihre Cousinen (unzählige Angletons, Darbys, Wiggenses und Washburns sowie Debushers) waren alle zur Hochzeit mit Africans beschenkt worden; jedes der Debusher-Girls besaß mindestens drei. Und zu jeder Häkeldecke gehörte ein in Farbe und Muster gleiches zusätzliches Qua drat. Diese Extraquadrate, die als Tischschmuck gedacht waren oder gerahmt an die Wand gehängt werden konnten, nannte Good Ma »Freudenstück«. Weil eine gelbe Häkeldecke Good Mas Hochzeitsgeschenk für Lisey und Scott gewesen war und Scott diese Decke immer geliebt hatte, hatte Lisey das mitgelieferte Freudenstück in der Zedernholzschatulle aufbewahrt. Jetzt lag sie blutend auf dem Teppichboden, hielt das Quadrat umklammert und gab den Versuch auf, vergessen zu wollen. Sie dachte Bool! Das Ende! und fing an zu weinen. Sie begriff, dass sie außerstande war, zusam menhängend zu denken, aber das war vielleicht in Ordnung; die Klarheit würde später wiederkehren, wenn sie gebraucht wurde.
    Und natürlich falls es ein Später gab.
    Die Gomer und die Bösmülligen. Die Landons – und vor ih nen die Landreaus – haben immer zum einen oder anderen Typ gehört. Und die Krankheit bricht immer aus.
    Tatsächlich war es keine Überraschung, dass Scott Amanda als das erkannt hatte, was sie war – er besaß reichlich eigene Erfahrungen mit selbst zugefügten Wunden. Wie oft hatte er sich schon geschnitten? Sie wusste es nicht. Anders als bei Amanda konnte man es nicht von den Narben ablesen, weil … nun, eben weil. Der einzige Fall von Selbstverstümmelung, den sie miterlebt hatte – die Sache mit dem Treibhaus –, war allerdings spektakulär gewesen. Und die Kunst des Schneidens hatte er von seinem Vater gelernt, der sein Messer nur gegen die Jungen richtete, wenn der eigene Körper nicht ausreichte, um die ganze Bösmülligkeit rauszulassen.
    Gomer und Bösmüllige. Immer das eine oder das andere. Es kommt immer raus.
    Und wenn Scott der schlimmste Bösmüll erspart geblieben war, was blieb dann übrig?
    Im Dezember 1995 war das Wetter schrecklich kalt ge worden. Und mit Scott war

Weitere Kostenlose Bücher