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Love

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Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vermutete, dass auch dies zu ihrer Belohnung am Ende von Scotts letzter Bool-Jagd gehörte –, doch zuerst musste sie die Trauer um ihren Mann abschließen. Sie legte einen Arm über die Augen, blieb fünf Minuten lang so liegen und schluchzte, bis ihre Augen fast zugeschwollen waren und ihre Kehle schmerzte. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich so sehr nach ihm sehnen oder ihn so schmerzlich vermissen würde. Das war ein Schock. Trotzdem – und obwohl ihre verletzte Brust noch schmerzte – kam es Lisey vor, als hätte sie sich noch nie so wohlgefühlt, so froh, am Leben zu sein, und so bereit, sich Namen zu notieren und Leute in den Arsch zu treten
    Wie man so schön sagte.

XII LISEY IN GREENLAWN
    (Die Stockrosen)
    1 Während sie ihre klatschnassen Jeans auszog, sah sie auf den Wecker auf dem Nachttisch und lächelte – nicht weil der Zeitpunkt, zehn Minuten vor zwölf an einem Junitag, an sich komisch gewesen wäre, sondern weil ihr ein Ausspruch von Scrooge in Dickens' Weihnachtsgeschichte einfiel: »Die Geister haben alles in einer Nacht geschehen lassen.« Lisey hatte den Eindruck, dass in ihrem eigenen Leben irgendetwas binnen sehr kurzer Zeit sehr viel bewirkt hatte, das meiste davon in den letzten paar Stunden.
    Aber du musst berücksichtigen, dass ich in der Vergangen heit gelebt habe, und das hat sich als erstaunlich zeitraubend erwiesen, dachte sie … und ließ nach kurzem Überlegen ein schallend lautes Lachen hören, das für einen Lauscher drau ßen auf dem Flur bestimmt verrückt geklungen hätte.
    Das ist okay, lach nur weiter, Babylove, hier ist niemand außer uns Gackerhühnern, dachte sie, als sie ins Bad ging. Das schallend laute Lachen wollte erneut aus ihr hervorbre chen, verstummte dann aber jäh, als ihr einfiel, dass Dooley hier sein konnte. Er konnte sich im Gemüsekeller oder einem der vielen Einbauschränke dieses großen Hauses verkrochen haben; er konnte an diesem Spätvormittag direkt über ihrem Kopf auf dem Dachboden schwitzen. Sie wusste nicht allzu viel über ihn, was sie jederzeit bereitwillig zugegeben hätte, aber die Vorstellung, dass er sich hier im Haus versteckt hielt, passte zu dem, was sie über ihn wusste. Er hatte ausreichend bewiesen, was für ein dreister Hurensohn er war.
    Mach dir im Moment keine Gedanken um ihn. Mach dir Gedanken um Darla und Canty.
    Gute Idee. Lisey konnte vor ihren älteren Schwestern in Greenlawn sein, dazu brauchte sie nicht mal zu rasen, aber sie konnte es sich auch nicht leisten, Zeit zu vertrödeln. Halt die Armbrust gespannt, dachte sie.
    Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, sich kurz in dem großen Spiegel auf der Innenseite der Schlafzimmertür zu betrachten. Sie stand mit in die Hüften gestemmten Armen da und musterte gleichmütig und unvoreingenommen ihren mageren, nicht weiter bemerkenswerten Körper, der einer Frau mittleren Alters gehörte – und ihr Gesicht, das Scott einmal mit dem einer Füchsin im Sommer verglichen hatte. Es war etwas aufgedunsen, das war alles. Sie sah aus, als hätte sie ungewöhnlich tief geschlafen (vielleicht nach einem bis drei Drinks zu viel), und ihre Lippen waren noch leicht nach außen gestülpt, was sie eigenartig sinnlich wirken ließ, sodass Lisey sich gleichzeitig unbehaglich und freudig erregt fühlte. Sie zögerte, weil sie nicht recht wusste, was sie deswegen unter nehmen sollte, und fand dann hinten in ihrer Lippenstift schublade eine Tube Revlon Hothouse Pink. Sie trug etwas davon auf und nickte ein wenig zweifelnd. Falls irgendwelche Leute ihre Lippen anstarrten – und das würden sie vermutlich tun –, war es besser, ihnen etwas zu sehen zu geben, anstatt tarnen zu wollen, was sich nicht verbergen ließ.
    Die Brust, der Dooley sich mit solch geisteskranker Ausschließlichkeit gewidmet hatte, war durch eine hässliche schar lachrote Vertiefung entstellt, die sich von der Achsel aus über die Brust hinweg bis zu den Rippen zog. Die Kerbe sah aus wie eine ziemlich schlimme Schnittwunde, die etwa zwei Wochen alt war und inzwischen gut verheilte. Die beiden weniger tiefen Schnitte wirkten lediglich wie rote Druckspuren von zu enger Lycrakleidung. Oder vielleicht – wenn man eine lebhafte Fantasie hatte – wie Spuren, die ein vorbeizischendes Seil hinterlassen konnte. Der Unterschied zwischen diesem Anblick und dem Schreckensbild, das sich ihr geboten hatte, als sie aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, war verblüffend.
    »Alle Landons besitzen erstaunliche Wundheilkräfte, du

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