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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und als hätte er nur auf dieses Wort gewartet, wurde der massive Schreibtisch unter ihr zu Regen. Im nächsten Augenblick war er spurlos verschwunden. Sie fiel; Jim Dooley fiel auf sie; Amanda, noch immer kreischend, fiel auf sie beide.
    Bool, dachte Lisey . Bool, das Ende.
    Sie landete auf einer dicken Grasmatte, die sie so gut kannte, als hätte sie sich ihr Leben lang darauf herumgewälzt. Sie hatte noch Zeit, die Sweetheart-Bäume wahrzunehmen, dann wurde ihr die Luft mit einem gewaltigen und lauten Wuff! aus der Lunge getrieben. In der vom Sonnenuntergang kolorierten Luft tanzten schwarze Flecken vor ihren Augen.
    Wenn Dooley sich nicht zur Seite gewälzt hätte, wäre sie vielleicht ohnmächtig geworden. Von Amanda befreite er sich mit einem Schulterzucken, als wäre sie nicht mehr als ein lästiges Kätzchen. Dooley rappelte sich auf und starrte erst den mit purpurroten Lupinen bedeckten Hügel hinab, bevor er kehrtmachte und sich den Sweetheart-Bäumen an den Ausläufern des von Paul und Scott Landon so bezeichneten Märchenwaldes zuwandte. Lisey war schockiert von Dooleys Aussehen. Sein Kopf sah aus wie ein unheimlicher mit Fleisch und Haaren bedeckter Totenschädel. Im nächsten Augenblick erkannte sie, dass dies an der Schmalheit seines Gesichts in Kombination mit den Abendschatten lag, und nicht zuletzt daran, was mit seiner Nachtsichtbrille passiert war. Ihre Glä ser hatten es nicht nach Boo'ya-Mond geschafft. Seine Augen starrten aus den Löchern, in denen sie gesessen hatten. Sein Mund hing offen. Speichel lief in silbernen Fäden von seiner Ober- zur Unterlippe.
    »Scotts Bücher … haben Ihnen … immer gefallen«, sagte Lisey. Sie keuchte wie eine ausgepumpte Läuferin, aber sie kam allmählich wieder zu Atem, und die schwarzen Flecken vor ihren Augen verschwanden. »Wie gefällt Ihnen seine Welt, Mr. Dooley?«
    »Wo …« Seine Lippen bewegten sich, aber er konnte nicht zu Ende sprechen.
    »In Boo'ya-Mond, am Rand des Märchenwaldes, nicht weit vom Grab von Scotts Bruder Paul entfernt.« Lisey gestattete sich erstmals, die Realität dieser Welt vorbehaltlos zu akzeptieren. Sie mochte viele verschiedene Namen haben, ihres Wissens für jeden, der jemals hierhergelangt war, einen anderen, aber ja, sie war real.
    Obwohl sie wusste, dass Dooley für sie (und Amanda) hier drüben ebenso gefährlich war wie in Scotts Büro, sobald sein bisschen Verstand sich von dem ersten Schock erholt hatte, nahm sie sich trotzdem die Zeit, diesen sanft abfallenden, mit Purpur bedeckten Hang und den dunkler werdenden Himmel zu betrachten. Wieder einmal ging die Sonne in orangerotem Feuer unter, während gegenüber von ihr der Vollmond auf stieg. Und wieder einmal fürchtete Lisey, dass diese Mischung aus Hitze und kühlem Silber ihr mit ihrer fiebrigen Schönheit den Tod bringen könnte.
    Nicht dass es Schönheit gewesen wäre, worum sie sich sor gen musste. Eine sonnengebräunte Hand fiel auf ihre Schul ter.
    »Wa-was machn Sie mit mir, Missus?«, fragte Dooley. In dem leeren Brillenrahmen drohten seine Augen aus ihren Höhlen zu quellen. »Wolln Sie mich hypno-lisiern? Weil das nämlich nicht funktioniert.«
    »Keineswegs, Mr. Dooley«, sagte Lisey. »Sie wollten haben, was Scott gehört hat, nicht wahr? Und dies hier ist besser als jede unveröffentlichte Geschichte, sogar besser, als eine Frau mit ihrem eigenen Büchsenöffner zu verletzen, finden Sie nicht auch? Sehen Sie nur! Eine komplette andere Welt! Ein voll ständiges Fantasieprodukt! Träume zu Schäumen geschlagen! Natürlich ist es im Wald gefährlich – nachts ist es überall ge fährlich, und wir haben bald Nacht –, aber ich bin zuversicht lich, dass ein mutiger, kräftiger Verrückter wie Sie …«
    Sie sah, was er vorhatte, sah in den bizarr umrahmten Augen deutlich ihre Ermordung und rief den Namen ihrer Schwester … alarmiert, ja, aber auch mit beginnendem La chen. Trotz allem. Sie lachte ihn aus. Auch weil er mit die ser Brille, deren Gläser fehlten, so dämlich aussah, aber vor allem, weil ihr in diesem lebensgefährlichen Augenblick die Pointe eines uralten Bordellwitzes eingefallen war: He, Jungs, euer Schild ist runtergefallen! Die Tatsache, dass sie sich an den Witz selbst nicht erinnern konnte, machte alles nur noch komischer.
    Dann stockte ihr der Atem, und Lisey konnte nicht mehr lachen. Sie konnte nur noch röcheln.
    5 Sie krallte mit ihren kurz geschnittenen, aber keines wegs unvorhandenen Fingernägeln nach Dooleys Gesicht und

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