Love
auf Mandas zerschnittene linke Handfläche zu sprühen.
»Au! Aua!«, kreischte Manda und riss ihre Hand weg. »Das tut weh, Lisey! Pass gefälligst auf, wohin du mit dem Ding zielst, okay?«
Während Lisey im selben Ton antwortete – Amanda hätte nichts anderes erwartet, auch wenn sie beide nackt unter der Dusche standen –, freute sie sich insgeheim über den Zorn ihrer Schwester. Er zeigte, dass sie wach war. »Oh, bitte viel mals um Entschuldigung, aber schließlich hab nicht ich mir die Hände aufgesäbelt!«
»An ihn wäre ich ja schlecht rangekommen, oder?«, sagte Amanda und überschüttete Charlie Corriveau und seine neue Frau dann mit einer Flut erstaunlicher Beschimpfungen – ei ner Mischung aus erwachsenen Obszönitäten und kindlicher Fäkalsprache –, die Lisey verblüffte und amüsierte und ihr Be wunderung abnötigte.
Als ihre Schwester eine Pause machte, um Atem zu holen, fragte Lisey: »Ein Wichser von einem Hurensohn, was? Wow!«
Amanda (mürrisch): »Du kannst mich mal, Lisey.«
»Wenn du heute wieder nach Hause willst, würde ich mir an deiner Stelle bei dem Doc, der deine Hände behandelt, sol che Ausdrücke lieber verkneifen.«
»Du hältst mich für dumm, stimmt's?«
»Nein, das tue ich nicht. Ich meine nur … es reicht, wenn du sagst, dass du wütend auf ihn warst.«
»Meine Hände bluten wieder.«
»Stark?«
»Nur ein bisschen. Du solltest etwas Vaseline drauftun, denke ich.«
»Wirklich? Tut das nicht weh?«
»Love hurts«, sagte Amanda feierlich … und schnaubte dann ein kurzes Lachen, das Liseys Herz erleichterte.
Als Darla und sie Amanda in Liseys BMW verfrachtet hat ten und mit ihr nach Norway unterwegs waren, erkundigte Manda sich nach ihren Fortschritten in Scotts Büro, fast als wäre dies das Ende eines normalen Tages. Lisey ließ »Zack McCools« Anruf unerwähnt, erzählte ihnen aber von Ike kehrt heim und zitierte die beiden einzigen Zeilen: »Ike kehrte von einem Boom heim, und alles war wieder gut. BOOL! DAS ENDE! « Sie wollte das Wort Bool unbedingt in Mandas Gegen wart sagen. Wollte ihre Reaktion darauf beobachten.
Darla reagierte zuerst. »Du hast einen höchst eigenartigen Mann geheiratet, Lisa«, sagte sie.
»Erzähl mir was, das ich nicht weiß, Darlin'.« Lisey sah in den Innenspiegel, der ihr Amanda auf dem Rücksitz zeigte. In einsamer Pracht, hätte Good Ma gesagt. »Was denkst du, Manda?«
Amanda zuckte mit den Schultern, und Lisey dachte schon, das würde ihre einzige Reaktion bleiben. Dann kam die Flut.
»Er war einfach so, das ist alles. Ich bin mal mit ihm in die Stadt gefahren – er wollte Büromaterial kaufen, und ich brauchte neue Schuhe, wisst ihr, gute, feste Wanderschuhe, die ich im Wald tragen konnte. Und wir sind zufällig am Auburn Novelty Shop vorbeigekommen. Er hatte den Laden noch nie gesehen und musste unbedingt parken und rein gehen. Wie ein Zehnjähriger! Ich brauchte Wanderstiefel von Eddie Bauer, damit mir im Wald nicht ständig der Giftefeu an die Beine kommt, und er wollte nur diesen verdammten Laden leer kaufen. Juckpulver, Lachsack, Pfefferkaugummi, Plastikkotze, Röntgenbrille … was man sich nur vorstellen kann, hatte er auf dem Ladentisch neben diesen Lutschern aufgehäuft, die, wenn man sie ablutscht, eine nackte Frau enthalten. Er hat bestimmt an die hundert Dollar für diesen verrückten Made-in-Taiwan-Schiet ausgegeben, Lisey. Weißt du noch?«
Das tat sie allerdings. Vor allem erinnerte sie sich daran, wie er ausgesehen hatte, als er an jenem Tag mit Tragetüten beladen heimgekommen war, die über und über mit lachen den Clowns und den Worten SACHEN ZUM LACHEN bedruckt gewesen waren. Wie rosig angehaucht seine Wangen gewe sen waren. Und auch er hatte dieses Zeug nicht als Scheiß, sondern als Schiet bezeichnet – ein Ausdruck, den er von ihr übernommen hatte, so unwahrscheinlich das auch klang. Ge ben und Nehmen war ein fairer Handel, hatte Good Ma immer gesagt, obwohl Schiet zu Dads Ausdrücken gehört hatte, denn es war Dandy gewesen, der noch altmodische Formen wie buk und frug benutzt hatte. Wie begeistert Scott, dem sie unver gleichlich stärker als backte und fragte erschienen, von ihnen gewesen war!
Scott und seine reiche Beute aus dem Wörter-Pool, dem Geschichten-Pool, dem Mythen-Pool.
Der verschmickte Scott Landon.
Manchmal verging ein ganzer Tag, ohne dass sie an ihn dachte oder ihn vermisste. Wieso auch nicht? Sie hatte ihr eigenes erfülltes Leben, und manchmal war es wirklich nicht
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