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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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leicht gewesen, mit ihm auszukommen, mit ihm zu leben. Er war ein Projekt gewesen, wie Uralt-Yankees wie ihr eigener Dad vielleicht gesagt hätten. Und dann kam manchmal ein Tag, ein grauer Tag (oder ein sonniger), an dem er ihr so sehr fehlte, dass sie sich leer fühlte, gar nicht mehr wie eine Frau, sondern wie ein abgestorbener Baum im kalten November-wind. So fühlte sie sich auch jetzt, sie hatte das Bedürfnis, sei nen Namen hinauszuschreien, ihn heimzurufen, und ihr Herz sank bei dem Gedanken an die Jahre, die ihr noch bevorstan den, und sie fragte sich, wozu Liebe gut war, wenn sie dazu führen konnte, dass einem auch nur zehn Sekunden lang so zumute war.
    Dass Amanda sich aufheiterte, war die erste gute Sache. Und Munsinger, der diensthabende Arzt, war kein ergrauter Veteran – das war die zweite gute Sache. Zwar wirkte er nicht ganz so jung wie Santzen, der Doc, den Lisey während Scotts letzter Krankheit kennengelernt hatte, aber sie schätzte ihn auf keinen Tag älter als dreißig. Die dritte gute Sache – auch wenn sie es nie geglaubt hätte, wenn jemand das vorausge sagt hätte – war die Ankunft der Leute, die drüben in Sweden einen Verkehrsunfall gehabt hatten.
    Sie waren noch nicht da, als Lisey und Darla ihre Schwes ter im Stephens Memorial in die Notaufnahme begleiteten; um diese Zeit war das Wartezimmer leer bis auf einen Jungen von ungefähr zehn Jahren und seine Mutter. Der Junge hatte einen Ausschlag, und seine Mutter fauchte ihn ständig an, dass er sich nicht kratzen solle. Sie fauchte noch immer, als die beiden in einen Untersuchungsraum gerufen wurden. Fünf Minuten später tauchte der Junge mit verbundenen Armen und düsterer Miene wieder auf. Mama hatte ein paar Salbenpröbchen in der Hand und redete weiter auf ihn ein.
    Die Krankenschwester rief Amanda auf. »Bitte zu Dr. Mun singer, Dear .« Das letzte Wort sprach sie wie in Maine üblich so aus, dass es sich auf Leah gereimt hätte.
    Amanda bedachte erst Lisey, dann Darla mit ihrem hoch mütigen, rotwangigen Queen-Elizabeth-Blick. »Ich möchte allein mit ihm sprechen«, sagte sie.
    »Natürlich, Euer Hochwohlgeheimniskrämernd«, sagte Lisey und streckte Amanda die Zunge heraus. In diesem Augenblick war es ihr ziemlich egal, ob die dürre, unleidliche Hexe eine Nacht, eine Woche oder ein Jahr und einen Tag hier behalten wurde. Wen kümmerte es, was Amanda am Küchen tisch geflüstert haben mochte, als Lisey neben ihr gekniet hatte? Wahrscheinlich war es »Buh!« gewesen, wie sie Darla erklärt hatte. Selbst wenn es das andere Wort gewesen war … wollte sie dann wirklich zu Amanda zurück, im selben Zimmer mit ihr schlafen und ihre verrückten Ausdünstungen einatmen, wo sie doch zu Hause ein bequemes eigenes Bett hat te? Akte geschlossen, Babylove, hätte Scott gesagt.
    »Denk daran, was wir besprochen haben«, sagte Darla. »Du warst zornig und hast dich geschnitten, weil er nicht da war. Jetzt geht es dir besser. Du bist darüber hinweg.«
    Amanda bedachte Darla mit einem Blick, den Lisey absolut nicht deuten konnte. »Ja, das stimmt«, sagte sie. »Ich bin dar über hinweg.«
    9 Die Unfallbeteiligten aus der Kleinstadt Sweden tra fen wenig später ein. Lisey hätte das nicht zu den guten Dingen gezählt, wenn jemand schwer verletzt gewesen wäre, aber dies schien nicht der Fall zu sein. Alle konnten selbst gehen, und zwei der Männer lachten sogar über irgendwas. Nur ein Mädchen von ungefähr siebzehn Jahren mit Blut in den Haaren und Rotz auf der Oberlippe weinte. Insgesamt waren es sechs Personen, bestimmt aus zwei Fahrzeugen, und einer der beiden lachenden Männer, von denen sich einer den Arm verstaucht zu haben schien, hatte eine ziemliche Bierfahne. Das Sextett wurde von zwei Sanitätern, die über ihren Zivilklamotten Jacken mit dem Aufdruck East-Stoneham Rescue trugen, und zwei Cops hereingebracht: einem State Policeman und einem County Mounty. Das kleine Wartezimmer der Notaufnahme wirkte schlagartig überfüllt. Die Kranken schwester, die Amanda Dear genannt hatte, blickte erstaunt aus dem Untersuchungsraum, und im nächsten Augenblick tat der junge Dr. Munsinger es ihr nach. Wenig später bekam das weinende Mädchen einen lauten hysterischen Anfall und behauptete kreischend, dass ihre Stiefmutter sie abmurksen würde. Die Krankenschwester kam hastig, um sie zu holen (das hysterische Mädchen nannte sie nicht Dear, das fiel Lisey auf), und dann kam Amanda aus UNTERSUCHUNGSRAUM 2 und trug unbeholfen ihre eigenen

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