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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wird, was sie tun soll.
    »Du musst in die Notaufnahme«, protestiert sie. »Scott, sei vernünftig! Hände sind voller Sehnen und solchem Zeug. Willst du riskieren, dass du sie nicht mehr benutzen kannst? Das könnte nämlich passieren! Das könnte echt passieren! Falls es dir Sorgen macht, was die im Krankenhaus sagen könnten, kannst du irgendeine Geschichte erfinden, dir Ge schichten auszudenken ist schließlich dein Beruf, und ich be stätige alles, was …«
    »Wenn du morgen immer noch willst, dass wir hinfahren, fahren wir hin«, erklärt er ihr. Jetzt ist er wieder ganz er selbst: vernünftig, charmant und auf fast hypnotische Weise über zeugend. »Heute Nacht sterbe ich nicht daran, es hat schon fast aufgehört zu bluten, außerdem … weißt du, wie es frei tagnachts in Notaufnahmen zugeht? Aufmarsch der Besoffe nen! Ganz früh am Samstagmorgen wäre viel besser.« Jetzt grinst er sie mit seinem fröhlichen Baby, ich bin hip- Grinsen an, das einen beinah zwingt, zurückzugrinsen, und sie ver sucht angestrengt, genau das nicht zu tun, doch diesen Kampf wird sie verlieren. »Außerdem besitzen alle Landons erstaun liche Wundheilkräfte. Die mussten wir haben. Ich sage dir genau, was du tun sollst.«
    »Du tust so, als hättest du schon ein Dutzend Treibhaus fenster mit der bloßen Hand zertrümmert.«
    »Nein«, sagt er, wobei das Grinsen etwas schwächer wird. »Bis heute Abend hab ich noch keinem Treibhaus ein blaues Auge geschlagen. Aber ich habe einiges über Wundbehand
    lung gelernt. Wir beide, Paul und ich.«
    »Er war dein Bruder?«
    »Ja. Er ist tot. Füll eine Wanne mit warmem Wasser, Lisey, okay? Warm, aber nicht zu heiß.«
    Sie möchte ihm alle möglichen Fragen über seinen Bruder stellen
    (Das hat Daddy immer zu Paul-n-mir gesagt)
    von dessen Existenz sie nie gehört hat, aber jetzt ist nicht der richtige Augenblick dafür. Sie wird ihn auch nicht weiter drängen, in die Notaufnahme zu fahren, nicht im Moment. Vor allem würde sie ihn hinfahren müssen, falls er einver standen wäre, und sie weiß nicht, ob sie dazu imstande ist, so zittrig, wie sie sich gerade fühlt. Und er hat recht, was die Blu tung angeht, sie ist schon viel schwächer geworden. Dank dir, Gott, für jeden kleinen Gefallen.
    Lisey holt die weiße Kunststoffwanne (Mammoth Mart, neunundsiebzig Cent) unter dem Spülbecken hervor und füllt sie mit warmem Wasser. Er lässt seine zerschnittene Hand hineinplumpsen. Anfangs stört sie das nicht – die dünnen Blutfäden, die sich zur Oberfläche emporschlängeln, ma chen ihr nicht allzu viel aus –, aber als er hineingreift und seine Hand sanft zu reiben beginnt, dass das Wasser sich rosa färbt, wendet Lisey sich ab und fragt ihn, weshalb um Himmels willen er die Schnittwunden wieder zum Bluten bringt.
    »Ich will sicher sein, dass sie sauber sind«, sagt er. »Sie soll ten sauber sein, wenn ich …« Er macht eine Pause, dann bringt er den Satz zu Ende: »… ins Bett gehe. Ich kann hierbleiben, nicht wahr? Bitte?«
    »Ja«, sagt sie, »natürlich kannst du das.« Und denkt: Eigent lich wolltest du etwas anderes sagen.
    Als er die Hand lange genug eingeweicht hat, gießt er das blutige Wasser selbst weg, damit sie es nicht tun muss, und zeigt ihr dann seine Hand. Nass glänzend sehen die Schnitte zwar weniger gefährlich, aber irgendwie noch schlimmer aus: wie sich überlagernde Fischkiemen, deren Rosa in der Tiefe in helles Rot übergeht.
    »Kann ich deine Packung Teebeutel haben, Lisey? Ich ver sprech dir, ich kaufe dir eine neue. Ich bekomme demnächst einen Tantiemenscheck. Über fünf Riesen. Mein Agent hat ihn mir bei der Ehre seiner Mutter versprochen. Ich hab zu ihm gesagt, dass ich gar nicht wusste, dass er eine hat. Das war übrigens ein Scherz.«
    »Ich weiß, dass es einer war, so dumm bin ich nicht …«
    »Du bist überhaupt nicht dumm.«
    »Scott, was willst du mit einer ganzen Schachtel Teebeu tel?«
    »Hol sie, dann siehst du's.«
    Sie holt den Tee. Während Scott weiter auf ihrem Hocker sitzt und behutsam mit einer Hand arbeitet, füllt er die Wan ne wieder mit nicht sehr heißem Wasser. Dann öffnet er die Packung mit den Lipton-Teebeuteln. »Darauf ist Paul gekom men«, sagt er aufgeregt. Die Aufgeregtheit eines kleinen Jun gen, denkt sie. Guck mal, das super Modellflugzeug, das ich ganz allein gebastelt habe, oder hier die unsichtbare Tinte, die ich mit Zeug aus meinem Chemiebaukasten hergestellt habe. Er kippt die Teebeutel hinein – alle siebzehn oder

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