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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Jukebox. Man wirft ein paar Dollar ein, und schon kommt eine verdammte Geschichte raus.« Das klingt nicht zornig, aber sie spürt, dass er zornig werden könnte. Irgendwann. Wenn er keine Zuflucht hat, die ihm Sicherheit und Geborgenheit bietet und wo er normal groß sein kann.
    Und ja, sie könnte der Mensch sein. Seine Zuflucht. Er würde ihr dabei helfen. In gewisser Weise haben sie es bereits getan.
    »Du bist anders, Lisey. Das habe ich gleich gemerkt, als wir uns bei der Blues Night in der Maine Lounge kennengelernt haben – weißt du noch?«
    Jesus, Maria und Jojo der Zimmermann, natürlich weiß sie das noch. An jenem Abend war sie in der Universität gewe sen, um sich die Hartgen-Ausstellung vor dem Hauck Audito rium anzusehen, hatte Musik aus der Lounge gehört und war aus einer spontanen Laune heraus hineingegangen. Er war ein paar Minuten später gekommen, hatte sich in dem ziem lich gut besetzten Raum umgesehen und sie gefragt, ob das andere Ende des kleinen Sofas, auf dem sie saß, noch frei sei. Sie wäre beinahe vor dem ersten Live-Auftritt gegangen, um ihren Bus um halb neun nach Cleaves Mills noch zu erwi schen. So dicht war sie davor gewesen, heute Nacht im Bett allein zu sein. Beim Gedanken daran erfasst sie ein leichter Schwindel, als würde sie aus einem sehr hoch gelegenen Fenster steil nach unten sehen.
    Sie spricht nichts davon aus, nickt nur.
    »Für mich warst du wie …« Scott macht eine Pause, dann lächelt er. Sein Lächeln ist himmlisch, auch wenn seine Zäh ne krumm und schief sind. »Wie der Pool, zu dem wir alle hinuntergehen, um zu trinken. Habe ich dir schon von diesem Pool erzählt?«
    Sie nickt erneut, lächelt ebenfalls. Das hat er nicht getan – nicht direkt –, aber sie hat ihn bei Lesungen und in Semina ren, zu denen sie seine begeisterte Einladung angenommen hatte – ganz hinten in Boardman 101 oder Little 112 –, davon reden hören. Wenn er von dem Pool spricht, streckt er im mer die Hände aus, als wollte er sie augenblicklich eintauchen und Dinge – vielleicht Wörterfische – aus ihm herausholen.
    Sie findet diese Geste liebenswert jungenhaft. Manchmal nennt er ihn den Mythen-Pool, manchmal den Wörter-Pool. Er sagt, dass man jedes Mal, wenn man davon spricht, dass man etwas wie ein rohes Ei behandelt oder in einen sauren Apfel beißt, aus dem Pool trinkt oder Kaulquappen an seinem Ufer fängt. Und jedes Mal, wenn man ein Kind in den Krieg und in Lebensgefahr schickt, weil man die Flagge liebt und das Kind gelehrt hat, sie ebenfalls zu lieben, schwimmt man in diesem Pool … weit draußen, wo auch die großen Tiere mit den schar fen Zähnen schwimmen.
    »Ich komme zu dir, und du siehst mich ganz«, sagt er. »Du liebst mich als Ganzes, nicht bloß wegen irgendeiner Ge schichte, die ich geschrieben habe. Sobald deine Tür zufällt und die Welt ausschließt, stehen wir Auge in Auge auf genau gleicher Höhe.«
    »Du bist viel größer als ich, Scott.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Vermutlich weiß sie das. Und sie ist davon zu angerührt, um mitten in der Nacht eine Entscheidung zu treffen, die sie am Morgen vielleicht bereut. »Darüber reden wir mor gen«, sagt sie. Sie nimmt seine Raucherutensilien, stellt sie auf den Fußboden zurück. »Frag mich dann, wenn du noch willst.«
    »Oh, ich will bestimmt«, sagt er vollkommen zuversichtlich.
    »Warten wir's ab. Schlaf jetzt weiter.«
    Er dreht sich auf die Seite. Vorerst liegt er noch ausge streckt, aber wenn er anfängt einzuschlafen, beginnt sein Körper sich allmählich zu krümmen. Er wird die Knie fast bis zu seiner schmalen Brust hochziehen und seine Stirn, hinter der all die exotischen Geschichtenfische schwimmen, an die Wand legen.
    Ich kenne ihn. Zumindest fange ich an, ihn zu kennen.
    Daraufhin spürt sie eine weitere Woge der Liebe für ihn und muss die Lippen zusammenpressen, um keine gefährlichen Worte herauszulassen. Worte, die schwer zurückzunehmen sind, sobald man sie ausgesprochen hat. Vielleicht unmöglich zurückzunehmen. Sie begnügt sich damit, ihre Brüste an sei nen Rücken und ihren Bauch gegen seinen nackten Hintern zu drücken. Vor dem Fenster zirpen ein paar verspätete Gril len, und Pluto kläfft sich durch eine weitere Nachtschicht. Sie beginnt wieder wegzudriften.
    »Lisey?« Seine Stimme scheint fast aus einer anderen Welt zu kommen.
    »Mhm?«
    »Ich weiß, dass du Devils nicht magst …«
    »Hasses«, bringt sie heraus, was in ihrem gegenwärtigen Zustand das Maximum an

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