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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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miteinander getrunken hatten und »irgendwie Kumpel« geworden waren, wie Woodbody es ausdrückte. Sie hatten keine Lebensgeschichten, sondern nur Bruchstücke von Lebensgeschichten ausgetauscht, wie es Männer in Bars eben so tun. Woodbody behauptete, seinerseits die Wahrheit erzählt zu haben. Aber inzwischen bezwei felte er, dass dies auch für Dooley galt. Ja, Dooley konnte recht gut vor zwölf oder vierzehn Jahren aus West Virginia nach Pittsburgh gekommen sein und hatte sich vermutlich seit damals mit allen möglichen schlecht bezahlten Hand werkerjobs durchgeschlagen. Ja, er konnte irgendwann im Gefängnis gesessen haben; er hatte diesen Häftlingsblick an sich, schien jedes Mal in den Spiegel hinter der Bar zu blicken, wenn er nach seinem Bier griff, und sah sich bei jedem Gang zur Toilette unterwegs mindestens einmal über die Schulter hinweg um. Und ja, er konnte die Narbe unmittelbar über seinem rechten Handgelenk bei einem kurzen, aber erbitterten Kampf in der Gefängniswäscherei davongetragen haben. Oder auch nicht. He, vielleicht war er ja auch nur als kleiner Junge mit dem Dreirad umgekippt und unglücklich aufgekommen. Sicher wusste Woodbody nur, dass Dooley sämtliche Romane von Scott Landon gelesen hatte und kenntnisreich über sie diskutieren konnte. Und er hatte mitfühlend zugehört, als Woodbody ihm sein Leid über die unnachgiebige Witwe Landon geklagt hatte, die einen intellektuellen Schatz aus unveröffentlichten Landon-Manuskripten hortete, zu dem Gerüchten zufolge auch ein fertiger Roman gehörte. Aber Mitgefühl war eigentlich ein zu schwaches Wort dafür. Eher hatte er mit wachsender Empörung zugehört.
    Wenn man Woodbody glauben wollte, war es Dooley ge wesen, der angefangen hatte, sie Yoko zu nennen.
    Woodbody charakterisierte ihre Treffs im Place als »gelegentlich, ans Regelmäßige grenzend«. Lisey überdachte diesen intellektuellen Schwachsinn und gelangte zu dem Schluss, dass Woodbody und Dooley sich vier- bis fünfmal pro Woche getroffen hatten, um über Yoko Landon zu lästern, und wenn Woodbody von »ein paar Bierchen« sprach, meinte er vermut lich ein paar Krüge . Da hockten sie also, diese intellektuellen Oskar und Felix, tranken sich praktisch jeden Werktagnachmittag einen an, sprachen erst davon, wie großartig doch Scotts Bücher waren, und gelangten so automatisch zu dem Thema, als was für ein gemeines, egoistisches Miststück sich seine Witwe erwiesen hatte.
    Nach Woodbodys Darstellung hatte Dooley angefangen, ihre Gespräche in diese Richtung zu lenken. Lisey, die aus eigener Erfahrung wusste, wie Woodbody reagierte, wenn ihm etwas verweigert wurde, was er unbedingt wollte, bezweifel te, dass ihn das viel Mühe gekostet hatte.
    Und irgendwann hatte Dooley Woodbody erklärt, er – Dooley – werde die Witwe schon dazu überreden, sich die Sache mit diesen unveröffentlichten Manuskripten noch mal zu überlegen. Wie schwierig konnte es schließlich sein, sie zur Vernunft zu bringen, wenn die Papiere ihres Mannes ohnehin mit einiger Sicherheit bei dem Rest der Landon Collection der University of Pittsburgh landeten? Er verstehe sich darauf, Leute dazu zu bringen, ihre Meinung zu ändern, hatte Dooley behauptet. Er habe Talent dazu. Der König der Inkunks (der seinen neuen Freund mit dem getrübten Scharfblick eines Betrunkenen betrachtete, dessen war Lisey sich sicher) hatte Dooley gefragt, wie viel er für diesen Gefallen verlange. Dooley hatte ihm versichert, dass er dabei keinen Profit ma chen wollte. Sie redeten schließlich von einem Dienst an der Menschheit, nicht wahr? Es ging doch darum, dieser Frau, die einfach nicht kapierte, worauf sie wie eine Glucke auf einem Nest voller Eier hockte, einen wertvollen Schatz zu entreißen. Gewiss, hatte Woodbody geantwortet, aber jede Arbeit sei ihren Lohn wert. Dooley hatte darüber nachgedacht und dann gesagt, er werde sich seine Ausgaben notieren. Wenn sie dann zur Übergabe der Papiere wieder zusammenkamen, konnten sie über ein angemessenes Honorar sprechen. Und mit diesen Worten hatte Dooley seinem neuen Freund über die Theke hinweg die Hand hingestreckt, als hätten sie einen Deal abgeschlossen, was ja in gewisser Weise auch zutraf. Woodbody hatte sie entzückt und verächtlich zugleich ergriffen. In den fünf bis sieben Wochen seiner Bekanntschaft mit Dooley habe er sich in Gedanken oft mit ihm beschäftigt, erzählte er Lisey. An manchen Tagen habe er Dooley wirklich für einen eisenharten Kerl gehalten, der

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