Luc - Fesseln der Vergangenheit
sagen, dass unser Einsatz katastrophal schiefläuft. Ich wäre dringend auf Ihre Hilfe angewiesen, um die Sache noch zu stoppen. Neben Menschenleben steht auch der Ruf der ISAF -Truppen auf dem Spiel, und ich mag mir die Reaktion der Bevölkerung nicht mal ansatzweise vorstellen, wenn herauskommt, dass Amerikaner Mist gebaut haben. Damit meine ich ausdrücklich nicht uns, denn wir bemühen uns gerade um Schadensbegrenzung und darum, die Sache aufzuklären.«
Der Oberst musterte Murat und den Blonden, die sich nicht weit genug entfernt hatten, misstrauisch. »Das sind alles Ihre Männer?«
Luc wich dem Blick nicht aus. »Ja. Es steht Ihnen frei, unsere Legitimation und unseren Auftrag beim Hauptquartier in Kabul zu überprüfen. Wenn wir geahnt hätten, dass die Spur in Ihr Lager führt, hätten wir Sie vorher informiert. Uns blieb keine Zeit, Formalitäten einzuhalten. Wir haben es geschafft, einen entführten Afghanen lebend zu befreien, mussten dabei aber eigene Verwundete in Kauf nehmen. Die Verantwortlichen sind mit einer Geisel geflohen, aber wir sind an ihnen dran, sofern Sie uns nicht aufhalten.«
Damit hatte er alles auf eine Karte gesetzt, wenn der Oberst wollte, konnte er sie stundenlang oder sogar noch länger festsetzen, aber zu Lucs Erleichterung nickte er. »Klären Sie das. Aber dann erwarte ich einen Bericht.«
Lucs Erleichterung hielt keine Minute an. Scotts Miene, mit der er auf sein Notebook sah, ließ seine Befürchtungen neue Höhen erklimmen.
»Der Satellit liefert Bilder, aber keine Spur von dem Wagen. Keine Ahnung, wo der geblieben ist.«
Der Alptraum hatte eine neue Dimension erreicht und es gab nur noch eine Karte, die Luc spielen konnte, um Jasmin zu retten und Melton aus dem Verkehr zu ziehen. Allerdings geriet er damit zwischen alle Fronten und seine Chancen auf Erfolg waren äußerst ungewiss, zumal er nicht die geringste Ahnung hatte, wie es Melton gelungen war, sie auszutricksen.
Angst hatte Jasmin nur um Luc und um die beiden Soldaten, die Meltons Hinterhalt zum Opfer gefallen waren. Jasmin war wütend und das war noch die Untertreibung des Jahres. Nach Jahren, in denen sie akzeptiert hatte, dass Melton sie irgendwann erwischen würde, hatte sie die Hoffnung auf ein Ende ihrer Flucht zugelassen und sich sicher gefühlt. Und dann die unerwartete Wendung. Sie hatte immer noch keine Vorstellung, wie der Mistkerl auf sie gestoßen war. Wenn sie wenigstens gewusst hätte, wie es Kalil ging. Und wenn die Angst nicht wäre, dass Luc unvertretbare Risiken einging, um sie zu finden. Sie hatte mitbekommen, dass Melton an Luc mindestens so interessiert war wie an ihr, und Luc hatte ihr schon bewiesen, wie hartnäckig er ihr hinterherjagte. Es lief also in jedem Fall auf eine Konfrontation zwischen Luc und Melton hinaus. Das war alles ein einziger Alptraum und ein Ende nicht abzusehen.
Die Männer sprachen zu leise. Sie bekam nur Bruchstücke mit und konnte sich nur wenig zusammenreimen, dabei musste sie dringend einen Plan entwickeln und das konnte sie nur, wenn sie wusste, was Melton vorhatte.
Alleine ihr derzeitiger Aufenthaltsort war genial gewählt und zeigte, dass man Melton nicht unterschätzen durfte. Vor etlichen Jahren hatte das mittlerweile halbverfallene Gebäude vermutlich als Gefängnis oder Sicherheitsposten gedient. Die stabilen Mauern standen noch, aber Gitter gab es keine mehr vor den Fenstern, dafür Löcher im Boden und in den Wänden. Auch das Dach war fast vollständig zerstört. Die Fahrtzeit hatte weniger als dreißig Minuten betragen und sie tiefer ins Gebirge geführt. Hier würden auch Lucs technische Spielereien ihm nicht weiterhelfen. Es gab unzählige Orte wie diesen, die meisten waren auf keiner Karte verzeichnet und kaum jemandem bekannt.
Jasmin stöhnte innerlich. Selbst wenn sie entkam, hatte sie im Gebirge ohne Wasser keine Chance, solange sie nicht wusste, in welche Richtung sie gehen musste. Vielleicht hatte Melton deshalb ihre Bewachung aufs Notwendigste beschränkt. Ein geringschätziges Schnauben entfuhr ihr. Die waren zu sechst und bis an die Zähne bewaffnet, sie dagegen war alleine, müde und unbewaffnet. Was konnte sie schon tun?
Einer der Männer hatte sie in den kargen Raum geschubst und sie gewarnt, ihn ja nicht zu verlassen. Obwohl die Tür nur aus zwei Holzlatten in Kopfhöhe bestand, hatte sie bisher gehorcht. Ihre Entführer hielten sich im Eingangsbereich auf, der in einen Korridor überging. Es gab keine Möglichkeit, ungesehen an
Weitere Kostenlose Bücher