Luc - Fesseln der Vergangenheit
der Piste die Zufahrt zu unserem Dorf bewachen sollten? Die sind gemeinsam mit dir verschwunden.«
»Keine Ahnung. Wirklich nicht. Ich war sicher, alleine unterwegs zu sein. Wer war denn da unten postiert?«
Hamid öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne seinem Bruder geantwortet zu haben und wirkte plötzlich wie versteinert. Das Vibrieren von Lucs Telefon verhinderte eine sofortige Nachfrage. »Azad«, erklärte er den Umstehenden und nahm den Anruf an. Instinktiv verzichtete er darauf, den Lautsprecher einzuschalten, obwohl die neugierigen Blicke unverkennbar waren.
Nach Azads ersten Worten beglückwünschte er sich zu seiner Entscheidung. Obwohl er dem Afghanen die Aufregung anhörte, war seine Zusammenfassung präzise. Während Luc ihm zuhörte, überlegte er bereits das weitere Vorgehen. Die Voraussetzungen hatten sich ganz erheblich geändert, aber nicht unbedingt verbessert.
»Wie viel Zeit haben wir noch?«
»Nur wenige Minuten. Du kannst dir keine Spielereien erlauben. Ich habe sechs mögliche Verstecke von Melton identifiziert. Sich denen unbemerkt zu nähern und sie zu überprüfen dauert verdammt lange. Alleine schaffe ich das nicht.«
»Ich weiß, nimm dir einen Ort nach dem anderen vor. Vielleicht hast du Glück, sonst müssen wir bis morgen warten. Ich melde mich, sobald ich hier alles geregelt habe.«
»Luc, du kannst Hamid nicht … «
Da er wusste, was Azad sagen wollte, trennte er einfach die Verbindung und vertraute darauf, dass der Afghane tat, was getan werden musste. Einen Sekundenbruchteil erlaubte er sich, mit einem Anflug von Bewunderung daran zu denken, dass Azad schneller als jeder von ihnen auf die undichte Stelle gestoßen war. Er fragte sich, was es Azad gekostet haben mochte, aus Hamids Gefolgsmann, der vor dem Außenposten gewartet hatte, die Wahrheit im wahrsten Sinne herauszuprügeln.
Langsam verstaute er das Telefon in der Brusttasche seiner Weste. Sein Blick fiel auf Sams dunkelbraune Haare, die in dem Licht noch dunkler als gewöhnlich wirkten. Allmählich nahm ein Plan Gestalt an, leider fehlte ihm die Zeit, die anderen zu informieren oder sich mit ihnen abzustimmen. Bis auf Hamid, der geistesabwesend vor sich hin starrte, warteten die Männer gespannt darauf, dass er sie über das Telefonat unterrichtete. Stattdessen blickte er angestrengt durch die Dunkelheit. Scheinwerfer bewegten sich in ihre Richtung und im Gegensatz zu den anderen wusste er, dass ihre Zeit ablief. Mit einigen unauffälligen Handbewegungen signalisierte er seinen Männern das weitere Vorgehen. Ungläubige Blicke trafen ihn, aber sie taten, was er verlangte.
»Was wird das hier?« Erstes Misstrauen zeigte sich bei Andi.
»Ich weiß jetzt, wer uns verraten hat. Gib mir ein paar Minuten freie Hand. Für Erklärungen haben wir keine Zeit.«
Zögernd nickte Andi. Das reichte Luc.
Zwei Fahrzeuge erreichten sie in diesem Moment und verhinderten, dass er Hamid vorwarnen konnte. Der deutsche Standortkommandant hielt einige Papiere in der Hand, sichtlich bedauernd zeigte er in Hamids Richtung. »Wir haben den Befehl, ihn unverzüglich festzusetzen.« Mit einer weit ausholenden Bewegung deutete er auf die bewaffneten Soldaten, die ihn begleiteten. »Widerstand ist zwecklos.«
Luc zwang sich zu einem Lächeln. »Kein Problem. Das würde ich niemals in Erwägung ziehen. Sie sind mir nur zuvorgekommen. Er gehört Ihnen.«
Der Oberst sah Luc fest an und ignorierte die umstehenden Männer. »Der Befehl umfasst auch eventuelle Gefolgsleute von Hamid Kazim.«
»Da muss ich sie enttäuschen. Sein Bruder und seine Männer haben die Basis bereits verlassen und sind auf dem Rückweg in ihr Dorf.«
Ausgesprochen spöttisch streifte der Standortkommandant Kalil mit einem Seitenblick. »Das dachte ich mir schon fast.«
Innerlich atmete Luc erleichtert auf. Warum auch immer der Oberst ihm entgegenkam, das war genau das, was er jetzt brauchte.
Hamid schwieg weiter, seinen Gesichtsausdruck konnte Luc nicht interpretieren. Die SEAL s hatten sich auf seine Anweisung hin so positioniert, dass sie Hamids Begleiter unauffällig, aber wirkungsvoll in Schach hielten. Scott kümmerte sich um Kalil, der bisher jedoch keine Anstalten machte, einzugreifen, sondern die Geschehnisse lediglich aufmerksam verfolgte.
Es gab Dinge, die musste Luc selbst übernehmen, das war er sich schuldig. Mit einer fließenden Bewegung entwaffnete er Hamid und stieß ihn zu den wartenden Fahrzeugen. »Das war’s mit uns. Beweg dich,
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