Luc - Fesseln der Vergangenheit
Die flache Pistole in seiner Hand war eine gelungene Überraschung. »Mit besten Grüßen von Luc.« Er steckte ihr die Waffe in den Hosenbund und drapierte das Hemd darüber. »Ein wenig umständlich zu erreichen, aber besser als nichts.«
Ohne ein weiteres Wort verschwand er lautlos in der Küchennische. Statt Angst beherrschte Jasmin nun eine grimmige Vorfreude. Mit dieser Unterstützung konnte eigentlich nichts schiefgehen. Ein warmes Gefühl der Dankbarkeit machte sich in ihr breit. Sie hätte Luc und Hamid nichts entgegenzusetzen gehabt, wenn die beiden sie gezwungen hätten zu fliehen, aber stattdessen war sie bei den Planungen berücksichtigt worden.
39
Der Amerikaner klopfte an die Tür und betrat erst dann das Haus. Jasmin verkniff sich eine ironische Bemerkung über die rücksichtsvolle Geste und bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. Es wäre fatal gewesen, durch eine unbeabsichtigte Geste oder ihre Mimik zu verraten, wie ungeduldig sie darauf wartete, mit Melton abzurechnen.
Mehr neugierig als misstrauisch sah der Mann sich um. »Wo sind die Frau und das Kind?«
»Hinten, der Kleine musste auf die Toilette und braucht jetzt eine neue Hose.«
Wie erwartet verzichtete er auf eine Überprüfung, manchmal zahlte es sich aus, dass Männer vorhersehbar waren. »Kommen Sie mit.«
Die sengend heiße Mittagshitze traf sie wie ein Schlag. Das Atmen fiel ihr schwer und der leichte Stoff der Uniform klebte an ihrem Rücken. Im Inneren des Hauses hatte sie fast vergessen, welche Temperaturen draußen herrschten, aber sie war nicht die Einzige, die litt. Melton rieb sich mit einem Baumwolltuch über das Gesicht und einige von Warzais Männern stützten sich schwer auf ihre Waffen. Die Wachsamkeit hatte einen Tiefpunkt erreicht und die Blicke zur Zufahrt des Dorfes waren eher von Gleichgültigkeit denn einer erwarteten Gefahr geprägt.
Wie zuvor ignorierte Warzai ihre Anwesenheit, aber Melton betrachtete sie mit einem Ausdruck gespannter Neugier. Schweigend trat sie näher und blieb stehen, als der Mann neben ihr warnend sein Gewehr hob. Schade, noch zwei Meter weiter und Melton wäre in Reichweite für einen Tritt oder Schlag gewesen. Aber ihre Chance würde kommen.
Motorengeräusche kamen näher und wurden lauter. Der Geländewagen, der kurz darauf in Sicht kam, hatte seine beste Zeit schon hinter sich. Rost hatte an den Kotflügeln den Lack ersetzt und die ursprüngliche Farbe war unter der Dreckschicht nicht mehr zu erkennen, aber er fuhr. Wenn Luc und die anderen mit dem Hubschrauber in den Bergen gelandet waren, grenzte es an ein Wunder, dass sie überhaupt ein Fahrzeug aufgetrieben hatten. Die Sonne spiegelte sich in der Windschutzscheibe und es dauerte endlose Sekunden, bis Jasmin sicher war, dass Luc am Steuer saß. Er bremste und legte die letzten Meter im Schritttempo zurück. Als ihn einer von Warzais Männern dazu aufforderte, stoppte er.
Sekundenlang hatte Luc überlegt, ob er es riskieren sollte, Gas zu geben und Warzai schlicht und einfach umzufahren. Die meisten Männer waren sichtlich müde und unaufmerksam, aber das Risiko eines unkontrollierten Schusswechsels war dennoch zu groß. Es sprach einiges dafür, die Sache ohne überflüssiges Blutvergießen zu beenden, und es würde unglaubliche Vorteile nach sich ziehen, wenn es ihnen gelang, Warzais Ansehen mit einem spektakulären Auftritt in der Region zu zerstören.
Trotzdem … Der Anblick von Jasmin zwischen Melton und Warzai gefiel ihm nicht und das beschrieb seine Angst um sie nicht einmal annähernd.
Langsam stieg er aus. Sein Gewehr hatte er einem von Hamids Leuten überlassen, das Halfter an seinem Oberschenkel war leer. Er hatte bewusst auf seine Weste verzichtet, die sie ihm sowieso sofort abgenommen hätten. Mit T-Shirt und Tarnhose bekleidet, wirkte er unbewaffnet und war es bis auf ein Messer in seinem Stiefel auch. Wenn er eine Schusswaffe benötigte, musste er sie sich anderweitig besorgen. Obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht sichtbar auf Jasmins Anwesenheit zu reagieren, wurde sein Blick magisch von ihr angezogen. Wie von selbst hoben sich seine Mundwinkel und er zwinkerte ihr zu. Da Melton von seinem Interesse an ihr wusste, musste er sich nicht verstellen.
Sie öffnete den Mund, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Warzai drängte sich dazwischen.
»Dieses Mal wirst du mir nicht entkommen.« Mit hasserfüllter Miene holte Warzai aus und schlug zu, versuchte es zumindest. Luc wich seitlich aus und die Mündung
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