Luc - Fesseln der Vergangenheit
Seite gekommen, durchs Gebirge?«
»Natürlich. Wir kannten einen idealen Landeplatz und natürlich die Pfade hierher. Es war kein Problem, sich den Häusern von hinten zu nähern. Wir haben noch ein paar Waffen verteilt, die Vorgehensweise abgesprochen und sind dann wieder verschwunden. Alima wusste, dass wir zurückkehren, wenn Melton eintrifft. Ich habe sie nur per SMS vorgewarnt, damit du dich nicht aus Versehen auf uns stürzt. Jedenfalls steht Melton und Warzai eine unangenehme Überraschung bevor.«
»Wie viele seid ihr?«
»Hoffentlich genug, aber eine ziemlich ungewöhnliche Mischung. Deutsche, Amerikaner und natürlich meine eigenen Männer. Wir warten jetzt auf Luc. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir jetzt zugeschlagen, aber du kennst ihn ja. Er will sämtliche Aufmerksamkeit auf sich lenken und damit die Gefahr für andere so gering wie möglich halten. Hast du ernsthaft gedacht, er hätte mich festgenommen?«
Jasmin antwortete nicht, sondern betrachtete die bunten Sitzkissen. Mit einem ungeduldigen Kopfschütteln setzte sich Hamid neben sie. »Was muss er eigentlich noch tun, damit du ihm endlich vertraust? Oder hast du geglaubt, dass ich … «
Hilflos hob sie die Schultern. »Nein, eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht. Melton war so überzeugend, und dann diese Nachrichtensendung. Ich habe doch gesehen, dass … «
»Du hast das gesehen, was alle sehen sollten. Aber direkt nach der angeblichen Festnahme, also noch vor der Show am Hubschrauber, haben Sam und ich die Rollen getauscht. Mit seiner Kopfverletzung konnte er uns nicht helfen und war froh, dass er so zumindest ein bisschen von Nutzen war. Azad hat am schnellsten von uns Verdacht geschöpft, dass einer meiner eigenen Männer Warzai und damit auch Melton mit Informationen versorgt. Er hat Khaleds Cousin zum Reden gebracht und konnte so Luc rechtzeitig warnen, dass Melton uns oder genauer gesagt mir die ISAF -Truppen auf den Hals hetzen will. Melton konnte dabei letztlich nur gewinnen. Wenn Luc mir geholfen hätte, wäre er in einen Konflikt mit seinen eigenen Leuten geraten. Hätte er mich festnehmen lassen, hätte er ohne meine Hilfe auskommen müssen. Daher hat er eine überzeugende Show abgeliefert, mich selbst festgenommen und dann sofort den Rollentausch veranlasst. Er hatte keine Chance, mich vorzuwarnen, und trotzdem habe ich nicht daran gezweifelt, dass er weiß, was er tut.«
Es musste sich um einen Fall von typischer Männerlogik handeln, denn Jasmin hätte sich niemals festnehmen lassen, ohne auf eine verdammt gute Erklärung zu bestehen. »Und Murat und die anderen haben einfach so zugesehen?«
»Lucs Männer haben dafür gesorgt, dass sie sich zurückhalten, bis wir ihnen die Sache erklären konnten. Zum Glück hatte Kalil auch Vertrauen genug in Luc, um sofort für Ruhe zu sorgen. Denk mal drüber nach.«
Die Belehrung hätte er sich sparen können, aber Jasmin hätte auch kaum zugeben können, dass sie mehr an ihm als an Luc gezweifelt hatte. Bei ihm klang alles so einfach und logisch, trotzdem war ihm die Anstrengung der letzten Stunden oder eher Tage anzusehen.
»Wie geht es Kalil?«
»Er ist noch ziemlich angeschlagen. Dieses Mal hört er hoffentlich auf uns und hält sich zurück.«
»Und wann geht es los?«
»In wenigen Minuten. Luc hatte angekündigt, dass er erst am frühen Nachmittag eintrifft. Seine frühzeitige Ankunft wird zusätzliche Verwirrung stiften. Egal, was er tut, komm ihm nicht in die Quere. Es steht dir nach wie vor offen, Alima und Bassam zu folgen.«
Jasmin beschränkte sich auf einen Blick, der Hamid zum Lächeln brachte. »Das dachte ich mir. Keiner von uns hat ernsthaft damit gerechnet, dass du vernünftig wärst. Aber da es uns in gewisser Weise hilft, lassen wir es dir durchgehen.«
Große Brüder, auch wenn sie selbsternannt waren, konnten eine Plage sein. Leider hatte sie keine Zeit, ihm ausführlich zu erklären, wie sie sein Verhalten fand. Stattdessen ging sie zu dem Fenster und spähte wie Scott zuvor durch den schmalen Spalt zwischen Vorhang und Fenster.
»Draußen tut sich was.«
»Dann werden sie dich wohl jeden Moment holen. Mach keinen Mist, egal, wie schwer es dir fällt, du musst Luc das Spiel überlassen. Er weiß, was er tut, und er gibt die Befehle, achte auf jedes seiner Signale.«
»Das ist mir schon klar. Versteck dich lieber.«
»Eine Sache fehlt noch.« Seinen prüfenden Blick konnte sie nicht einordnen, dann hatte er sich offensichtlich entschieden.
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