Luc - Fesseln der Vergangenheit
gerettet. Der Rest lag nicht in ihrer Verantwortung. Glauben Sie ernsthaft, ein SEAL versteckt sich hinter einer Frau? Wie Sie sehen, bin ich heute hier und habe Ihre Hilfe nicht benötigt und niemals gefordert.«
Der Senator und Thompson waren offensichtlich noch nicht zufrieden. Ungeduldig schob Luc den Teller zur Seite. »Was wollen Sie denn noch? Glauben Sie vielleicht, ich suche sie, weil ich mich an ihr rächen will? Sorry, der Part wird schon von Warzai besetzt und rangiert auf einem Nebengleis. Ich schulde Jasmin was und auch den Kazim-Brüdern, obwohl sie das vermutlich nicht hören wollen. Deshalb bin ich an dieser Sache dran und niemand hält mich davon ab.«
»Was schulden Sie ihr?«
»Tut mir leid, das geht nur Jasmin und mich etwas an. Nur so viel: Ich habe ihr etwas versprochen, und das werde ich halten. Dazu gehört, ihre Probleme hier bei uns zu klären. Den Rest erfahren Sie, wenn Jasmin es für richtig hält.«
»Roger meinte, Sie hätten ungewöhnlich heftig auf das Foto reagiert.«
»Keine Ahnung, was Sie meinen.«
Nach einem weiteren Blickwechsel lächelten beide Männer. Der Senator ging so weit, Luc eine Hand auf die Schulter zu legen. »Wir wissen alles, was wir wissen mussten. Nenn mich Jonathan, Luc. Wenn du Hilfe brauchst, um unsere Kleine nach Hause zu bringen, zögere nicht, dich an uns zu wenden. Egal, was es kostet: Ich will einfach nur die Gewissheit, dass Jasmin in Sicherheit ist.«
22
Jasmin drehte allmählich durch. Die Temperatur in ihrer Wohnung betrug über 30 Grad und eine Abkühlung war nicht in Sicht. Als einzige Ablenkung stand ihr das Internet zur Verfügung, aber das half ihr nicht weiter.
Sie hätte draußen sein sollen, unterwegs, um zu helfen und ihre nächste Reise vorzubereiten. Stattdessen befolgte sie Kalils Anweisung und vergrub sich in ihrer Wohnung. Wasser und Lebensmittel hatte sie genug, aber das Gefühl, eingesperrt zu sein, wurde allmählich unerträglich. Es entsprach wesentlich eher ihrem Charakter, es direkt mit ihren Gegnern aufzunehmen, statt in Deckung zu gehen und abzuwarten. Auch wenn sie seit langem gewissen Leuten aus dem Weg ging, hatte sie niemals untätig herumsitzen müssen.
Eigentlich hätte ihr ständiges Herumwandern schon deutliche Abnutzungsspuren auf dem Teppich hinterlassen müssen.
Erneut ging sie ziellos durch den Raum und endete wieder am Fenster. Aus Gewohnheit sah sie auf die Straße, obwohl diese um die Mittagszeit zumindest in diesem Wohnviertel menschenleer war. Niemand bei klarem Verstand hielt sich freiwillig draußen auf. Die Temperatur dürfte in der Sonne annähernd bei 50 Grad liegen.
Das Gefühl der Langeweile wurde von namenlosem Entsetzen abgelöst. Es gab keinen Grund für die zwei westlich gekleideten Männer, auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu stehen und sich zu unterhalten. Die Blicke der Männer schweiften unablässig umher, als ob sie jemanden suchten. Vermutlich sie.
»So ein Mist.« Und wieder diese verdammte Neigung zu Selbstgesprächen.
An die Wand gelehnt überlegte sie, welche Optionen ihr blieben. Sie musste den lästigen Verfolgern ausweichen, sie am besten davon überzeugen, dass sie auf der falschen Spur waren. Zusätzlich galt es, ihren üblichen Job zu erledigen. Letzteres konnte sie nicht, solange sie in der Wohnung festsaß. Andererseits hatte sie für diesen Fall Vorsorge getroffen. Sie konnte das Haus über ihren Fluchtweg als Afghanin verkleidet verlassen und überprüfen, ob ihr Range Rover noch verfügbar war oder auch bereits überwacht wurde. Sie musste lediglich warten, bis in den späten Nachmittagsstunden das Leben auf der Straße wieder erwachte. Gründliche Aufklärung stand am Beginn jeder Mission, und nichts anderes lag vor ihr.
Seufzend ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Teppich nieder und klappte ihr Notebook auf. Vielleicht gab es neue Nachrichten von Kalil, die ihr weiterhalfen. Lüge! Dann hätte ersie angerufen. In Wahrheit wollte sie wissen, ob Kalil und Luc erneut Mails ausgetauscht hatten. Das wäre dann heute ihr zwanzigster Blick ins Postfach. Hoffentlich kontrollierte Kalil nicht die Anzahl ihrer Zugriffe. Sein Spott wäre gnadenlos.
Sie haben eine neue Nachricht.
Wie elektrisiert klickte sie auf die Mail von Luc.
Hi,
falls ich danebenliege und Jasmin sich nicht in Kunduz aufhält, würde ein Hinweis deine Chancen als Pate beim ersten Kind erhöhen. Für eine wochenlange Suche in der falschen Gegend fehlt mir die Zeit. Eure Warnungen waren
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