Luc - Fesseln der Vergangenheit
wer er war und was er von ihm wollte. Für aufwendige Umwege fehlte ihm die Geduld und mit Scott als Backup war er auf jede Konfrontation vorbereitet. Er beschleunigte den Porsche und fuhr deutlich schneller als erlaubt, dennoch fiel der Mercedes nicht zurück, sondern hielt den Abstand zu ihm konstant. Damit hatte er die Bestätigung. Er drückte die Kurzwahltaste von Scotts Handy. »Du liegst richtig. Er macht jede Tempoänderung mit.«
»Sag ich doch. Ich bin eine halbe Meile hinter euch. Geh kein Risiko ein, sondern warte, bis du ihn stellst.«
Beim Verlassen des Highways war der Wagen bereits direkt hinter Luc und klebte fast an seiner Stoßstange, als er in den Sandweg einbog. Vor dem Haus angekommen, hielt der Mercedes direkt neben ihm. Seine Waffe in der Hand sprang Luc aus dem Wagen und richtete sie auf den Fahrer. »Aussteigen, aber schön vorsichtig.«
Hinter ihnen bremste Scott scharf und sicherte ihn von hinten ab.
Der Fahrer befolgte die Anweisung. »Begrüßen Sie jeden Besucher so?«
»Ungebetene Gäste schon.«
Langsam nahm der Mann, den Luc auf sein Alter schätzte, seine Sonnenbrille ab und sah sich neugierig um. »Nett haben Sie es hier und von ungebeten kann keine Rede sein.«
Die lässige Art, mit der er ihre Waffen ignorierte, passte nicht zu dem formellen Anzug, den er trug. Die Kleidung des Mannes vermittelte zusammen mit dem Wagen den Eindruck eines erfolgreichen Geschäftsmannes, aber sein Auftreten stand in völligem Gegensatz dazu. Die dunkelbraunen, fast schwarzen Haare waren etwas länger als üblich, die Augenfarbe lag irgendwo zwischen grün und braun. Trotz seiner europäischen Gesichtszüge war Luc sich über die Herkunft seines Besuchers nicht im Klaren, weil zumindest die Augenpartie etwas Orientalisches hatte. »Wer sind Sie?«
»Jemand, mit dem Sie unbedingt sprechen wollten. Nehmen Sie die Waffe runter, ehe ich es mir anders überlege, Luc.« Unvermittelt wechselte der Mann die Sprache und redete auf Paschtu weiter. »Andi hatte den Tipp von mir, dass Sie den Pfad durchs Gebirge nutzen würden. Und Sie waren ja zum Glück intelligent genug, auf Kalil zu hören.«
»Kannst du das mal übersetzen?«, bat Scott.
Der Mann winkte ab. »Joss Rawiz«, stellte er sich vor. »Können wir drinnen weiterreden? Ich habe Ihretwegen die Nacht durchgemacht und könnte was Kaltes zu trinken vertragen.«
Luc gab Scott ein Zeichen und verstaute seine Waffe im Holster. »Auf die Erklärung bin ich gespannt.«
23
Obwohl Joss die Anzugsjacke nachlässig auf die Couch im Wohnzimmer geworfen und sich die Ärmel seines Hemds hochgekrempelt hatte, betrachtete er wenig begeistert die Holzveranda, auf der trotz des Windes noch hochsommerliche Temperaturen herrschten. Da Luc die Klimaanlage für Energieverschwendung hielt, war sie nicht eingeschaltet, so dass es drinnen nicht wesentlich kühler war. Scott und Luc hatten sich bereits umgezogen und saßen in Shorts und T-Shirt auf den Stühlen, jeweils eine kühle Dose Cola vor sich auf dem Holztisch. Er hatte zwar noch keine Ahnung, wer oder was Joss war, dennoch bekam Luc Mitleid mit ihm. Außerdem gefiel ihm die humorvolle und lässige Art seines Besuchers. Die Müdigkeit war ihm anzusehen und die dunkle Anzugshose war für dieses Klima denkbar falsch gewählt. »Das Gästezimmer ist den Flur runter, letzte Tür links. Im Schrank liegen T-Shirts und Shorts.«
»Danke.«
Wenige Minuten später erschien Joss wieder, offensichtlich hatte er auch das Badezimmer gefunden und schnell geduscht. Er hatte sich die nassen Haare aus dem Gesicht gestrichen und ließ sich – jetzt mit T-Shirt und Shorts bekleidet und mit einer Dose Cola in der Hand – auf den Stuhl fallen. Nach einem langen Schluck atmete er tief durch. »Jetzt kann man es hier aushalten. Danke noch mal. Sie haben mich in ganz schöne Schwierigkeiten gebracht und ich bin immer noch nicht sicher, ob es richtig ist, dass wir uns treffen. Aber da Sie eindrucksvolle Fürsprecher hatten, bin ich jetzt hier. Vielleicht ist das sogar ganz gut so, denn wir haben ein gemeinsames Ziel.«
»Sind Sie Afghane oder Amerikaner?«
»Beides. Vergiss die Förmlichkeiten, ich habe keine Lust, euch mit Rängen anzureden, und kann auch gut darauf verzichten.«
»Kein Problem, aber welcher Rang wäre das bei dir, Joss?«
»Special Agent. Aber damit sind wir bei dem Punkt, der nur zwischen uns besprochen wird.« Joss holte eine Plastikkarte aus seinen Shorts und schob den Ausweis Luc zu. » DEA
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