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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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hinten.
    »Dreh dich nicht um«, sagte ich zu ihm. »Rühr dich nicht vom Fleck. Wenn du dich bewegst, beißt er zu.«
    Jamie sah mich an. »Hey, Cait, komm schon. Du glaubstdoch nicht, dass ich es ernst gemeint habe, oder? Ich hab nur ein bisschen rumgemacht. Ich wollte nicht   –«
    Ich ließ ihn stehen.
    »Cait!«, rief er. »Nur noch einen Moment . . . Was tust du? Cait? Du kannst mich doch nicht einfach hier lassen, ich werde erfrieren. Cait!«
     
    Als ich die schmale Bucht erreichte, hatte sich meine äußere Ruhe aufgelöst und ich zitterte wie ein Blatt. Ich atmete tief durch und schrie nach Deefer. Während ich auf seine Antwort wartete, glitt ich das Ufer hinab und wusch mir im Wasser die Hände, schrubbte sie, bis sie taub waren und keine Spur eines Gefühls mehr in ihnen existierte. Dann wusch ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
    Es ist deine eigene Schuld, sagte ich mir, wie konntest du nur so
dumm
sein? Dumm, dumm, dumm, dumm . . . Warum hast du nicht gleich kehrtgemacht und bist abgehauen, als du ihn gesehen hast? Du
weißt
doch, was mit ihm los ist. Warum bist du nicht einfach weggegangen?
    Ich kannte die Antwort.
    Ich war nicht weggegangen, weil ich nicht unhöflich sein wollte. Ich hatte nicht
un freundlich
sein wollen . . .
    Es war jämmerlich.
    Als ich das Ufer wieder hinaufkletterte, saß Deefer auf der Brücke und wedelte mit dem Schwanz.
    »Wo
warst
du, verdammt noch mal?«, sagte ich und wischte mir Rotztränen aus dem Gesicht. »Du solltest auf mich aufpassen. Komm her.« Er senkte den Kopf und kam tief gegen den Boden geduckt zu mir angewatschelt. »Nächstes Mal«,sagte ich ihm, »nächstes Mal . . . komm sofort zurück, wenn ich dich rufe. In Ordnung?« Ich tätschelte seinen Kopf. »Es ist nicht gut, wenn man es bis zur letzten Sekunde rauszieht – wenn ich dich rufe, kommst du zurück.« Sein Schwanz schlug heftig und er gähnte vor Scham. »Und dass du ja niemandem davon erzählst«, sagte ich schniefend. »Das ist etwas nur zwischen dir und mir, klar? Wenn es Dad mitkriegt, bringt er ihn um. Das ist kein Witz, Deef. Er bringt ihn um.«
     
    Das Haus war still, als ich zurückkam. Ich ging nach oben und duschte, zog mir saubere Sachen an, überprüfte im Spiegel, dass ja keine Tränen mehr zu sehen waren, dann legte ich mein T-Shirt und die Shorts mit anderer dreckiger Wäsche zu einem Bündel zusammen und ging wieder runter in die Küche. Gerade, als ich die Sachen in die Waschmaschine stopfte, kam Dad herein.
    »Hi, Cait – was machst du?«
    »Nur ein bisschen Wäsche waschen . . . ich war . . . da war Öl am Strand . . .«
    »Öl?«
    »Teer oder so was.« Ich zuckte die Schultern. »Hab was davon auf mein T-Shirt bekommen.«
    »Oh«, sagte er und sah mich an. »Ist alles in Ordnung mit dir? Deine Augen   –«
    Ich drehte mich weg. »Es ist nichts, nur ein bisschen Sand . . .«
    »Komm, lass mich mal nachsehen.«
    »Ich sag doch, es ist in
Ordnung
, Dad.«
    Er warf mir einen verdutzten Blick zu. »Was ist los?«
    »Nichts, tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anfahren. Ehrlich, es ist nichts. Mir geht’s gut.« Ich programmierte die Waschmaschine und stellte sie an. »Hast du schon gegessen?«
    »Ich hab eigentlich gar keinen Hunger, Kleines.«
    »Was ist mit Dominic? Er schläft doch nicht etwa noch, oder?«
    »Er ist weggegangen. Musste ein paar Leute treffen . . .«
    »Wo?«
    Dad schüttelte den Kopf. »Im Dog & Pheasant, nehme ich an.«
    »Hattest du keine Lust mitzugehen?«
    Er lächelte verlegen. »Ach, das wär dem Jungen doch nur peinlich. Du weißt ja, wie das ist . . . Vielleicht gehen wir ein andermal ganz in Ruhe einen trinken . . .« Er trat hinüber an den Schrank und holte eine neue Flasche Whiskey heraus. Seine übertriebene Ruhe sagte mir, dass er schon ein paar Drinks intus hatte. Er setzte sich an den Tisch und schenkte sich noch einen ein.
    »Hast du einen schönen Spaziergang gemacht?«
    »Ja . . . ja, war gut . . . bisschen kalt.«
    Er nickte und sah aus dem Fenster. »Und du würdest mir sagen, wenn irgendwas nicht in Ordnung wäre?«
    »Ja, Dad, ich würd es dir sagen.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Er trank seinen Whiskey und sah mich mit leicht glasigen Augen an. »Niemand behält ein Geheimnis besser für sich als ein Kind.«
    »Ich bin kein Kind.«
    »Nein«, sagte er traurig. »Das ist wohl wahr.«
    »Dad   –«
    »Der Junge«, meinte er plötzlich, »sag mal, was hältst du von ihm?«
    »Welcher Junge?«
    Er lächelte viel sagend. »Der

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