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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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antwortete er schulterzuckend. »Hunde sehen, was sie sehen müssen. Bist du so weit?«
    Ich stopfte meine Schuhe und Socken in die Taschen und warf einen letzten Blick auf den Schlick, dann nickte ich.
    Wir brachen auf.
    Es war ein Gefühl, als würden wir über die Kante einer Klippe hinaustreten.
     
    Nach den ersten vorsichtigen Schritten begann ich wieder zu atmen. Es war nicht so schlimm. Der Oberflächenschlick war glitschig und ölig und ich fand unangenehm, wie er zwischen den Zehen hervorquoll und an meinen Füßen sog, aber der Boden darunter schien einigermaßen sicher. Obwohl hier nichts besonders sicher
aussah
. Es war, als ginge ich über eine dicke braune Suppe. Doch je weiter ich ohne einzusinken kam, desto leichter wurde es zu ignorieren, was ich mit den Augen sah, und lieber auf meine Füße zu hören. Meine Füße sagten, es ist okay. Es ist nicht das tollste Gefühl der Welt . . . aber es ist okay.
    Lucas ging langsam, er setzte vorsichtig einen Fuß vor den andern und hinterließ mir schöne kleine Abdrücke, um ihmzu folgen. Sobald er den Fuß hob, füllten sie sich mit körnig durchsetztem schwarzem Wasser. Das Wasser war kalt, es fühlte sich an wie kaltes Schmierfett.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich und versuchte entspannt zu klingen.
    »Sag mir, wenn ich zu schnell gehe.«
    »Ja, kein Problem . . .«
    Ab und zu blieb er stehen, studierte den Boden und wandte sich dann nach rechts oder links. Jedes Mal, wenn wir die Richtung änderten, schaute er über die Schulter und sagte ein paar Worte.
    »Jetzt nach links.«
    »Jetzt ungefähr zehn Schritte nach rechts.«
    »Gleich scharf links.«
    Deefer trottete an seiner Seite. Hin und wieder fuhr Lucas ihm leicht über den Kopf und flüsterte ein Wort, dann fiel Deefer zurück und folgte uns ein paar Meter im Gänsemarsch. Aber sobald sich der verborgene Pfad verbreiterte, lief er wieder nach vorn und nahm seine alte Position neben Lucas ein.
    Als wir die Hälfte des Watts geschafft hatten, war mein Vertrauen so weit gewachsen, dass ich mich traute zu gehen, ohne die ganze Zeit nach unten zu starren. Ich hob den Kopf und schaute mich um. Rechts von uns beruhigte sich das offene Meer nach dem Sturm. Trübe braune Wellen lappten müde ans Ufer, während weiter draußen der Ozean noch betrunken gegen den Himmel anrollte und am Horizont schräge Regenstreifen aus den dunklen Wolken fielen. Die Ufer der seichten Bucht zu unserer Linken waren überspült.Ich sah, wie das Wasser die schlammigen Pfade durch den Ginster füllte. Das Wasser würde in die Gezeitentümpel ablaufen, so dass die Wege bald wieder frei wären, aber nicht für mich. Heute würde ich nicht diesen Weg nach Hause zurückgehen.
    Vor uns zeichnete sich der Wald immer klarer ab. Klarer, aber auch dunkler. Das wirre Dickicht wirkte schwarz vom Regen und die Bäume standen wie in Gedanken gebeugt, ihre Formen schienen die Gesetze der Natur zu widerlegen: Schlingen- und Kugelgebilde mit herunterhängenden Wurzeln, vorstehenden Ästen, verformten Stämmen und merkwürdigen Spiralen, da wo sich Zweige ineinander verschlungen hatten und aussahen wie zusammengerollte Schlangen . . .
    »Hast du das gesehen?«
    Lucas war an den Überresten eines alten Holzbootes stehen geblieben. Viel war davon nicht mehr übrig – ein halbes Dutzend schwärzliche Balken, die aus dem Schlick emporragten, dünne gesplitterte Stücke verrotteter Planken, ein paar spiralförmig zusammengerollte Metallstreifen.
    »Das war mal ein Austernboot«, erklärte ich ihm. »Früher haben sie hier überall Austern gefischt, in der Bucht, um den Point rum.«
    »Austern?«
    Ich nickte. »Heute gibt es leider keine mehr.«
    »Was ist passiert?«
    »Überfischt, nehme ich an. Wie alles andere auch. Ein paar von den Alten fahren noch ab und zu raus, aber jetzt reicht es kaum mehr für einen halben Eimer. Echt traurig.«
    »Warum?«
    Ich sah ihn an. »Na ja . . . ist doch nicht richtig, oder?«
    »Wir müssen essen.«
    »Aber wir müssen doch die Austern nicht bis zur allerletzten aus dem Meer holen. Wenn die Leute nicht so gierig gewesen wären, gäbe es auch jetzt noch welche.«
    Er löste einen morschen Holzsplitter von dem Bootswrack und zerrieb ihn zwischen den Fingern. »Für wen?«
    »Was?«
    »Für wen gäbe es jetzt noch welche?«
    »Na ja . . . für die andern, für uns, für die Fischer . . . was weiß ich? Du weißt genau, was ich meine.«
    Er wischte sich die Hand an seinem Hemd ab. »Was meinst

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