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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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habe Lucas von da draußen aus einem Boot erspäht . . .
Wir hatten den Motor abgeschaltet und trieben nur so dahin, als Lee plötzlich diesen nackten Jungen auf der Insel hinter dem Watt entdeckt . . . Es war der Zigeuner. Er hat da gebadet, in einem Tümpel am Waldrand
. . . Ich verbannte die Erinnerung aus meinem Kopf. Jetzt war ich hier.
Hier
. Ich wollte nicht über Bill und die anderen nachdenken. Das war da draußen. Irgendwo
dort
. Ich wollte nicht über dort draußen nachdenken.
    Ein Stück vor mir blieb Lucas neben einem schlanken Baum mit herunterhängenden Zweigen stehen. Der Baum ähnelte ein bisschen einer Weide, war aber dunkler und schwerer und besaß breite Blätter sowie merkwürdige holzartige Knötchen, die über die ganze Länge der Äste verteilt waren. Lucas zog den Vorhang aus Zweigen zur Seite und es kam eine kleine halbkreisförmige Lichtung zum Vorschein, die im gedämpften Schein der Sonne lag.
    »Nach dir«, sagte er.
    Ich sah ihn einen Augenblick an, dann trat ich hindurch. Die Lichtung war ein gut geschützter Ort von der Größe eines kleinen Vorgartens, eingeschlossen von Rhododendronbüschen und unscheinbaren Baumgruppen. Am Boden wuchs ein Teppich aus leuchtend grünem moosigem Gras. Das Gras wirkte so, als wäre noch nie ein Mensch drübergegangen. Am Rand der Lichtung floss ein Bach mit Süßwasser sanft über ein Bett aus fahlen Kieselsteinen. Ich trat weiter ein, bewegte mich behutsam vorwärts und freute mich an der Weichheit des moosigen Grases unter meinen nackten Füßen. Das feuchte Moos war mit winzigen Juwelen aus blauen Blüten und Regenperlen besetzt.
    Gleich zu meiner Rechten war eine khakifarbene Wolldecke zwischen den Ästen zweier Bäume aufgehängt. Die Bäume standen etwa drei Meter auseinander. Aufgewickelte Schnüre und lange Schilfrohre hingen an einer Leine, die zwischen zwei anderen Ästen gespannt war, und eine Auswahl an Angelstöcken und scharf zugespitzten Zweigen lehnten an einem der Bäume.
    Als ich da stand und alles in mich aufnahm, ging Lucas an mir vorbei, zog die Decke zurück und präsentierte eine gemütliche kleine Hütte, die aus den dicht stehenden Bäumen herausgeschnitten war. Sie wurde von einem Stück Plastikfolie überdacht, das von Zweigen gehalten wurde. An den Seiten begrenzten Wände aus Schilf und getrocknetem Schlamm das Ganze. Ich trat weiter vor und schaute hinein. Gleich am Eingang sah ich auf einer verrußten Steinplatte die Überreste eines Feuers. Es gab auch einen Baumstumpf zum Sitzen und hinten entdeckte ich ein Bett aus Farnen.
    »Es ist wunderschön«, sagte ich.
    Lucas ging hinein, kramte in einer schwarzen Mülltüte und angelte ein paar trockene Kleider heraus. Sie sahen genauso aus wie die, die er anhatte – nur trockener natürlich.
    Er lächelte mich unbeholfen an und deutete auf sein Versteck. »Mach es dir bequem. Ich bin gleich zurück.« Dann verschwand er hinter die Hütte, um sich umzuziehen.
    Ich setzte mich auf den Baumstumpf und betrachtete das Innere des Verstecks. Es war ziemlich dunkel, aber nicht trist, so ähnlich wie in einem Zelt. Die Luft roch angenehm nach feuchten Pflanzen. Ich stellte mir Lucas vor, wie er dort schön geborgen und warm saß und draußen tickte der Regen auf die Plastikfolie, ein Holzfeuer glimmte und der Geruch des Rauchs trieb hinaus in den Regen . . . Es erinnerte mich an ein Buch, das ich als Kind gelesen hatte –
In den Wäldern der Catskill-Berge
von Jean Craighead George. Es ist die Geschichte eines kleinen Jungen namens Sam Gribley, der in New York von zu Hause wegläuft und fortan in den Catskill Mountains im ausgebrannten Stamm einer Tanne lebt. Er lernt sich von der Natur zu ernähren, isst Früchte und Wurzeln, fängt in selbst gebauten Fallen Wild und Kaninchen . . . er zähmt sogar einen jungen Falken. Es gibt in dem Buch eine Szene, da sitzt Sam in einer kalten Winternacht mitten im Wald in seiner Tanne. Es schneit. Es ist still. Er fühlt sich einsam. Er beobachtet den Falken auf seinem Ast, wie er den Schnabel putzt und pflegt, und stellt sich die Frage:
Was macht einen Vogel zum Vogel und einen Jungen zum Jungen?
    Ich habe diese Stelle immer besonders geliebt.
Was macht einen Vogel zum Vogel und einen Jungen zum Jungen?
    Wie die Geschichte zu Ende ging, weiß ich nicht mehr . . .
    Doch, ich weiß es. Die Einsamkeit gewinnt die Oberhand über den Jungen, er verlässt den Wald und kehrt zurück nach New York zu seiner Familie.
    Das Ende hat mir nie gefallen.
    Als

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