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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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weitgehend der Wahrheit entsprach. Sie waren nicht sehr glücklich darüber, aber das konnte ich von mir auch nicht behaupten.
    Ich fand, das machte uns ungefähr gleich.
    Bevor er ging, nahm mich Lenny noch einmal zur Seite und sprach mit mir unter vier Augen: »Treib’s nicht zu weit, Cait. Ich mag dich und ich mag deinen Vater. Ihr seid anständige Leute. Ich bin froh, euch als Freunde zu haben. Aber ich bin immer noch Polizist. Ich muss meine Arbeit machen. Weiter kann ich nicht gehen – verstehst du das? Ich kann nicht mehr für dich tun – mach, was du willst.«
    »Du kannst so weit gehen, wie du willst«, sagte ich.
    Er sah mich an. Enttäuschung lag in seinem Gesicht. »Ach, Cait«, seufzte er. »Ich dachte, wenigstens du wärst anständig.«
    Das überraschte mich. Wahrscheinlich hätte es mich nicht überraschen dürfen, aber es war einfach so. Es verletzte mich auch. Es war nicht fair. Ich
war
eine von den Anständigen, genau deshalb tat ich ja das, was ich tat. Ich versuchte zu tun, was das Beste war. Ich
war
anständig . . .
    Oder nicht?
    Ich senkte die Augen und schaute zu Boden.
    Ich wusste es einfach nicht mehr.
    Dad brachte Lenny zur Tür und ließ mich kurz mit Dominic allein. Sobald ich hörte, dass die Haustür aufging, beugte ich mich in meinem Sitz vor.
    »Wissen sie irgendwas?«, flüsterte ich.
    »Worüber?«
    »Überhaupt.«
    Er runzelte die Stirn. »Ich glaub nicht.«
    »Hat Lenny irgendwas über Tait oder Brendell gesagt?«
    »Mir nicht . . . ich hab ihm die Geschichte erzählt, dass Brendell mir mit dem Billardstock einen übergezogen hat, aber es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.« Dominic blickte nervös zur Tür. »Diese Sache mit Angel und Lucas   –«
    »Tait hat sie sich ausgedacht, das musst du doch wissen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, er macht nur große Sprüche, wer nimmt denn an, dass er   –«
    Die Haustür schlug zu.
    Dominic sah mich an.
    »Sag nichts«, zischte ich. »Kein Wort.«
    Dad trat ins Zimmer, blieb in der Tür stehen und sah uns an. Es lag nicht viel Zuneigung in seinem Blick. Während ichwartete, dass er etwas sagte, wanderten meine Gedanken zurück zum Vortag, als ich allein mit Lucas am Waldrand gesessen und das Gefühl gehabt hatte, dass ich schon einmal dort gewesen war und dass Lucas nicht Lucas, sondern jemand anderes sei . . . und als ich darüber nachdachte, überkam mich wieder das gleiche Gefühl. Nur dass es jetzt noch viel verwirrender war. Ich wusste nicht, ob
dies
der Augenblick war, über den ich dort nachgedacht hatte, und ob Dad der andere Jemand war, oder ob
dort
der Moment war, über den ich jetzt nachdachte, und Lucas jemand anderes war . . . jemand Vertrautes . . . mit dem ich über Geheimnisse sprach . . .
    Ich bin kein Kind.
    »Cait?«, sagte Dad.
    Ich sah ihn an. »Ich bin kein . . .«
    »Du bist kein was?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich hab nur gerade . . . ach, nichts.«
    Auf ein Zeichen von Dad stand Dominic auf und verließ das Zimmer. Dad sah ihm hinterher, schloss die Tür, dann kam er herüber und setzte sich neben mich. Das Sofa sank in der Mitte ein und rückte uns enger zusammen.
    Dad legte seine Hand auf mein Knie. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir mal ein bisschen miteinander reden.«
     
    Jetzt, da wir allein waren, hatte ich Angst, dass meine Gefühle die Oberhand gewinnen würden und ich zusammenbräche und mit der Wahrheit herausplatzte. Es war eine ganz natürliche Reaktion für mich, so hatte ich es bisher immer gemacht und ich bezweifelte, dass ich dem jetzt widerstehenwürde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich den Mut hätte . . . oder den Mangel an Mut. Aber schließlich war es doch nicht so schwer, wie ich dachte.
    Dad war nicht wütend, oder falls er es war, zeigte er es jedenfalls nicht. Selbst als ich seine Fragen nicht beantwortete, hatte er sich immer noch unter Kontrolle. Er brüllte nicht, er schnaubte nicht, er spielte nicht verrückt. Eigentlich war sein Blick so fest und seine Stimme so ruhig, dass ich fast Schwierigkeiten hatte, wach zu bleiben. Er hatte viele Fragen   – Fragen zu Lucas, Fragen zu Dominic, Fragen zu Angel. Aber meist gingen die Fragen um mich: Was empfindest du? Was denkst du? Was ist los? Warum lügst du? Warum vertraust du mir nicht? Was willst du? Was soll ich tun? Wie kann ich dir helfen? Bist du traurig? Glücklich? Krank? Einsam? Eifersüchtig? Langweilst du dich? Bist du sauer? . . . Lauter Fragen, die ich mir selbst schon

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