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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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schöner Tag. Der größte Teil des Dorfs ist dann für den Verkehr gesperrt und ab neun Uhr sind die High Street und die umliegenden Straßen mit allen möglichen Ständen gesäumt: Die örtlichen Wohltätigkeitsvereine sind da, es gibt Kunsthandwerk, Tombolas, Kitschkram, Blumen, Kleider, Flohmarktsachen . . . alles, was man von einem kleinen Dorffest erwarten kann. Die Pubs haben den ganzen Tag geöffnet. Es gibt Eiswagen, Hamburgerwagen, Stände mit vegetarischer Kost. Einige Leute verkaufen selbst gemachte Kuchen und Plätzchen. Normalerweise spielt irgendwo eine Blaskapelle und von der Ladefläche eines LKWs eine Kneipenband hier aus der Gegend, mit Schlagzeug, Hammondorgel und einer mittelalten Sängerin, die bekannte Oldies trällert, bei denen die Leute anfangen zu klatschen, wenn sie erst mal ein paar Bier getrunken haben. Und den ganzen Tag gibt es in den Straßen Jongleure und Clowns und Theatergruppen mit ihrenDarbietungen unter freiem Himmel. Es herrscht immer großes Gedränge, vor allem wenn gutes Wetter ist. Es kommen jede Menge Leute vom Festland auf die Insel und am Nachmittag schiebt sich die Masse nur noch so durch die Straßen.
    Als ich ankam, war es noch früh und alle Leute waren beschäftigt, ihre Stände fertig zu kriegen. Ich kannte die meisten wenigstens so gut, dass man sich Hallo zurief, und als ich zum Stand des Tierschutzbundes vor der Bücherei ging, wurde ich von überall her mit freundlichem Nicken und Winken begrüßt, was zumindest etwas dazu beitrug, meine Stimmung zu heben. Die ganze Straße war wie ein Bienenstock, die Leute liefen herum, luden Sachen aus ihren Lieferwagen, lachten, riefen und sangen zu irgendeiner Radiomusik. Es lag ein erwartungsvolles Summen über dem Platz. Aber gleichzeitig spürte ich noch etwas anderes in der Luft, irgendetwas Unausgesprochenes. Alles war angespannt. Zusammengekniffene Augen, Stirnrunzeln in lächelnden Gesichtern, versteckte Blicke . . .
    Es ist wegen Angel, dachte ich, als ich den Stand des Tierschutzbundes betrat. Alle haben von der armen Angel und dem Monster, das sie angriff, gehört. Erst Kylie Coombe und jetzt das – wo
soll
das nur hinführen?
    »Morgen, Cait«, sagte Mrs Reed. »Danke, dass du gekommen bist.«
    Ich sah auf und lächelte.
    Simons Mutter ist eine von den Frauen, denen es egal ist, wie sie aussehen, die aber trotzdem immer erstaunlich gut wirken. Sie war Mitte vierzig, hatte schulterlanges blassblondes Haar und ein hübsches junges Gesicht, sie trug einschlichtes weißes Kleid, keinen Schmuck, keine Schuhe und kein Make-up. Ihre Augen leuchteten wie Juwelen.
    »Gib her«, sagte sie und griff nach meiner Tasche, »die nehm ich. Du siehst ja ganz erhitzt aus. Willst du was trinken?«
    Sie stellte die Tragetasche auf die Theke und reichte mir eine Dose Billig-Cola. Eigentlich wollte ich sie nicht, bedankte mich aber trotzdem. Dann schaute ich hinüber zu Simon. Er war gerade dabei, Poster an die Rückwand zu tackern.
    »Hallo, Simon«, sagte ich.
    Er lächelte mich an. Es war ein aufrichtiges Lächeln und ich war erleichtert, als ich es sah. Nach dem, was beim letzten Mal, als wir uns trafen, gelaufen war, hätte ich durchaus verstanden, wenn er nichts mehr mit mir hätte zu tun haben wollen. Er wandte sich wieder dem Plakat zu und heftete es weiter fest, dann steckte er den Tacker in seine Tasche zurück und sprach mit seiner Mutter. »Kommst du mal für ein paar Minuten allein zurecht? Ich will nur kurz was mit Cait besprechen.«
    »In Ordnung«, sagte sie. »Aber beeil dich. Es gibt noch viel zu tun.«
    »Fünf Minuten«, sagte er und machte mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Wir gingen die High Street hinunter und dann in eine stille Gasse, die hinter der Bücherei entlangführt. Ich hatte immer noch die ungeöffnete Cola in der Hand. Als wir uns auf die Bordsteinkante setzten, bot ich sie Simon an.
    Er rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht, warum sie die kauft. Ich kann das Zeug nicht ausstehen.«
    Er trug ein schwarzes Hemd aus schwerem Stoff, die Ärmel aufgerollt, dazu eine ausgeblichene schwarze Hose und schwarze Boots. Das Dunkle seiner Kleidung betonte dieBlässe seiner Haut. Er wirkte fast blutarm. Ansonsten schien er sich aber ganz wohl zu fühlen.
    »Hast du davon gehört?«, fragte er.
    »Wovon?«
    »Von Angel Dean – jemand hat sie angegriffen.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Sie glauben, es war der Junge, du weißt schon, der   –«
    »Ich will darüber nicht reden.«
    »Es geht das Gerücht, er wäre in

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