Lucifer - Traeger des Lichts
einigen Stellen verunzierten Graffiti die Wände. Sam wunderte sich erneut über Wisperwinds Wahl eines Verstecks. Im Schein der einsamen Glühbirne, welche die Halle erleuchtete, zückte er sein Schwert, dann zog er den Dolch aus dem Ärmel und band ihn sich mit der Schnur von seinem Schwert lose um den
Unterschenkel. Seine Nerven schrien: Gefahr!, doch von wem oder woher konnte er nicht sagen.
Mit dem Schwert in der Hand schlich Sam die Betontreppen hoch. Dabei zählte er die Stufen, aus keinem ersichtlichen Grund, streckte zugleich seine Sinne nach vorn und hinten aus und hielt sich eng an der Wand. Es war kalt genug in dem Gebäude, dass sein Atem eine weiße Wolke bildete.
Er bog auf dem Absatz zum dritten Stock um die Ecke, und was dann geschah, kam für ihn ebenso vorhersehbar wie plötzlich.
Sie lauerten direkt hinter der Ecke. Sam hatte sie nicht erspürt; denn es waren Menschen, und er hatte nicht mit einer nichtmagischen Drohung gerechnet. Sie stürzten alle zugleich auf ihn zu, und er merkte schnell, wie schwer es war, ein Schwert zu führen, wenn drei große Männer auf einen eindrangen. Hände packten seinen Schwertarm und hielten ihn fest. Ein Arm legte sich um seine Kehle, brach ihm fast das Genick. Etwas Hartes stieß ihm in den Rücken. Er schloss die Augen, um Magie zu sammeln und die Männer abzuschütteln, und hörte das Klicken einer Pistole. Und eine Stimme: »Silberkugeln, Lucifer! Zwing mich nicht...!«
Sam öffnete die Augen wieder. Er spürte die ölige Mündung der Waffe im Nacken, wusste, dass sie Silbergeschosse enthielt, wusste, dass er sterben würde. Er gab allen Widerstand auf - was seine Angreifer noch mehr zu verwirren schien, sodass es noch einige Hiebe dauerte, bis seine betäubten Ohren die Worte vernahmen: »Hört auf damit und schafft ihn rein!«
Es war die Niederlage, die Sam unbewusst den ganzen Tag hatte kommen sehen. Die letzte Abrechnung, mit der er gerechnet hatte. Traue keinem außer dir selbst, dachte er. Dann weißt du wenigstens, warum du was falsch machst.
Er war sich bewusst, dass jemand ihm sein Schwert abgenommen hatte und dass andere ihn in eine kleine Wohnung zerrten, einen spärlich möblierten Raum, wo unter großen Lampenschirmen gelbe Lichter schienen und eine alte Dame Tee servierte. Eine Hexe, stellte er mit nur mildem Interesse fest. Es gab mehr von ihnen, als die meisten vermuteten. Alte Hexen insbesondere wussten ihre magischen Fähigkeiten geschickt zu verbergen. Sie hatten erkannt, dass die beste Methode war, einfach seinen Geist auszusenden, während man den ganzen Nachmittag mit den Freundinnen herumsaß.
Zwei Leute durchsuchte ihn, doch sie gingen dabei nicht sehr gründlich vor. Man hatte ihnen sicher gesagt, wo sie suchen sollten, da sie sich hauptsächlich auf Arme und Handgelenke konzentrierten.
Eine weitere Hand tastete ihm den Hals ab. »Nichts da.«
Höchst unprofessionell, dachte Sam.
Unsanft wurde er in die Mitte des Teppichs gestoßen und an Händen und Füßen mit Klebeband gefesselt. Er hörte, wie die alte Dame mit besorgter Stimme fragte: »Was ist mit seinen Augen? Wird er keine Magie wirken?«
Wieder der Druck einer Pistolenmündung gegen seine Haut. »Nein, nicht mit dem hier im Nacken. Du bist zu empfindlich, nicht wahr, Lucifer?«
Ein Teil seines Geistes, der in Deckung gegangen war, als der Kampf begann, kam nun wieder hervorgekrochen und eröffnete ihm einige interessante Tatsachen. Zum einen hockten da Wisperwind und Peter, ebenfalls an Händen und Füßen gefesselt und mit verbundenen Augen, am anderen Ende des Zimmers unter einem Fenster an der Wand. Neben ihnen stand ein weiterer Anderer, der für Sams magische Augen in demselben Licht glühte, wie es Wisperwind eigen war. Ein Nebelbeschwörer also. Zum anderen sah er auf einem Sofa Andrew liegen, bewusstlos, blass und schweißbedeckt; sein Atem ging flach. Und überdies - für Sam der wichtigste Faktor - standen eine Handbreit von seiner Nase entfernt zwei schwarze, glänzende Stiefel, und die Stimme, die gesprochen hatte, klang... vertraut.
»Michael? Was machst du hier?«, fragte er matt.
»Schauen, dass dir nichts passiert, altes Haus.«
»Sehr nett von dir. Hat Jehova dich geschickt? Was macht er in diesem ganzen Schlamassel?«
Die Stiefel verschwanden, ein Paar Knie kam in Sicht, dann eine Hand. Aus der Hocke heraus rollte Michael Sam weit genug herum, dass sie einander in die Augen sehen konnten.
Er war genau, wie Sam ihn in Erinnerung hatte. Der
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