Lucy im Himmel (German Edition)
nicht punkten. Er würde heute Mittag zwar höflichkeitshalber ebenfalls auf Fleisch verzichten – so war er nun mal –, aber die Frau fürs Leben war die Kollegin definitiv nicht.
Als wir am Abend endlich zu Hause waren, schickte ich Gregor als Erstes ins Schlafzimmer und ließ ihn in die blaue Jeans und ein helles T-Shirt schlüpfen, was er erneut nur äußerst widerwillig tat. Anschließend trug ich ihm auf, den Spiegelschrank im Badezimmer auszumisten. Meine Zahnbürste, Deo, Shampoo, Bodylotion und noch einige andere Dinge wanderten auf direktem Weg in die Tonne.
Genauso erging es den vergilbten Straßenkarten, dem alten Eiskratzer und meiner Duftbäumchen-Sammlung in meinem Auto. Das kam nämlich als Nächstes an die Reihe: Wir räumten alles aus, bis sich nur noch Warndreieck, Verbandskasten und das Werkstattbuch darin befanden. Zu guter Letzt ließ ich Gregor die Winterreifen in den Kofferraum legen. Wenn er meinen Audi nun noch zu einem Händler fuhr, wäre auch diese Erinnerung an mich gekappt. Oder sollte er lieber eine Annonce im Internet aufgeben? Das war wahrscheinlich lukrativer. Also prägte ich mir den Kilometerstand ein, dann gingen wir ins Haus.
Während unser Abendessen im Rohr vor sich hin brutzelte, setzten wir uns an den Computer und formulierten rasch einen knappen Text, den wir in einem Autoportal und zwei kostenlosen regionalen Anzeigenblättern einstellten. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass wir während unseres letzten gemeinsamen Nordseeurlaubs ein Foto von meinem Auto gemacht hatten. Das wertete die Anzeige deutlich auf!
Sobald Gregor den Computer heruntergefahren hatte und nach dem Essen sah, holte ich meinen Notizzettel aus meiner Handtasche und ging die einzelnen Punkte meiner To-do-Liste durch. »Klamotten in Altkleidercontainer« konnte ich genauso abhaken wie »Spiegelschrank im Bad ausräumen«. »Auto verkaufen« hätte eigentlich einen halben Haken verdient. Blieben mein Schmuck und alles, was sich in meinem Zimmer befand. Ich stand auf und stieg in die Mansarde.
Musste wirklich alles von mir aus Gregors Leben verschwinden, damit er einen Neuanfang machen konnte? In manchen Situationen spürte ich seinen Widerstand gegen meine Suggestionen überdeutlich. Das Auto hatte er verhältnismäßig freiwillig ausgeräumt und zum Verkauf angeboten. Als er vorhin jedoch mein Parfum im Badezimmer in der Hand gehalten hatte, hatte ich ganz genau gefühlt, wie sehr es ihm widerstrebte, sich davon zu trennen.
Plötzlich ging die Tür hinter mir auf, und mein Schatz kam herein. Er setzte sich in meinen Sessel und nahm Holger, meinen Teddy auf den Schoß.
»Egal welcher Teufel mich seit ein paar Tagen reitet, Lucys Zimmer rühr ich nicht an, Holger. Du darfst hier wohnen bleiben und landest nicht im Müll. Das verspreche ich dir.«
Es fühlte sich an, als würde er über den Bären zu mir sprechen. Mir stiegen wieder einmal Tränen in die Augen. Ein Mann, der mit meinem Teddybären redete und ihm versicherte, dass er mein Zimmer nicht um alles in der Welt verändern würde. Was sollte ich nur tun?
»Gabriel?«
»Ja, Lucy?«
»Ich weiß nicht mehr weiter.«
»Bisher hast du doch alles ganz wunderbar hinbekommen. Wo liegt das Problem?«
»Mein Mann will das alles nicht.«
»Was will er nicht?«
»Er will mich nicht hergeben.«
»Das muss er doch auch nicht. Du wirst immer einen Platz in seinem Herzen haben. Du sollst bloß nicht mehr sein ganzes Herz ausfüllen, sondern nur noch einen Teil.«
»Manchmal weigert er sich, die Gedanken anzunehmen, die ich ihm suggeriere. Zum Beispiel, wenn ich ihn etwas anderes als seine Trauerklamotten anziehen lassen will.«
»Geh es ruhiger an. Er kann nicht von heute auf morgen wieder bunte T-Shirts tragen. Gewöhne ihn langsam um. An einem Tag ein beiges Paar Socken, an einem anderen ein graues T-Shirt oder eine dunkelblaue Jeans. Du darfst ihn nicht zwingen, sondern musst in ihm viel mehr die Lust darauf fördern. Er soll denken, dass er es selbst möchte, dass er es gut findet und es sich für ihn richtig anfühlt.«
»Mein Zimmer will er auch nicht ausräumen.«
»Das ist nicht nötig. Es genügt, wenn er nicht mehr jeden Abend darin sitzt, um dir nahe zu sein. Und so lange du auf der Erde bist, hat er keinen einzigen Abend Trübsal blasend dort verbracht. Das
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