Lucy kriegt's gebacken

gedacht … Und Jimmy soll es gewusst haben?
    „Das kann einfach nicht stimmen“, flüstere ich unter Tränen. „Jimmy hat dich geliebt. Er hätte dir niemals wehgetan, Ethan.“
    „Lucy …“
    „Nein, Ethan! Ich kann nicht … ich kann nicht deinetwegen anfangen, plötzlich alles anders zu sehen. Es stimmt nicht. Es kann nicht stimmen. So war Jimmy nicht!“ Ich schluchze laut auf. „Mach mir meine Erinnerungen an ihn nicht kaputt, Ethan. Wage es bloß nicht. Das ist alles, was mir noch bleibt.“
    Er blickt jäh weg, aber ich starre ihn herausfordernd an. Er hat die Zähne zusammengebissen, die Schultern gestrafft. Einen Moment lang schließt er die Augen, und als er mich wieder ansieht, ist sein Gesicht ausdruckslos.
    „Das ist alles, was mir noch bleibt“, wiederhole ich laut.
    Nach einem Moment senkt er den Kopf. „Du solltest besser reingehen, bevor du dich noch erkältest.“
    „Vergiss es“, rufe ich barsch. „Ich werde lieber einen Spaziergang machen.“
    Mit diesen Worten stürme ich davon, über die Straße in den Ellington Park. Und werfe keinen Blick zurück.

32. KAPITEL
    Everything‘s gonna be alright, everything‘s gonna be alright. Everything‘s gonna be alright …
    Nur weil Ethan es gesagt hat, muss es noch lange nicht stimmen, rede ich mir ein, während ich über den Kiesweg stolpere. Ich bin bereits völlig durchnässt, die Pfützen, in die ich trete, bemerke ich kaum. Er ist einfach sauer, weil ich einen Mann kennengelernt habe . Aber es geht nicht anders. Das Bild, als er durch die Luft geschleudert wurde, wie verdammt … verletzlich er war …
    Die bescheuerte Lasagne stößt mir auf, ich schaffe es gerade noch, mich über ein Gebüsch zu beugen, wo ich mich heftig übergebe. Zitternd taumle ich zu der nächstbesten Bank. Und erst da fällt mir auf, wie nahe ich am Friedhof bin. Ein Blitz erhellt die Nacht, der schmale Asphaltweg sieht wie eine Narbe zwischen den Grabsteinen aus.
    Da irgendwo ist Jimmys Grab. Das Grab meines Mannes. Sein Körper, dieser wunderschöne große Körper, den ich so sehr geliebt habe, liegt hier. Mit geschlossenen Augen lege ich den Kopf in den Nacken und lasse den Regen auf mein Gesicht prasseln. Wie viele Tränen habe ich wohl wegen Jimmy vergossen? Genug, dass ich wochenlang mit Salzrändern auf meinem Kopfkissen aufgewacht bin. Genug, dass die Haut unter meinen Augen über ein Jahr lang geschwollen war. Genug, dass meine Mutter mir ihre megateure Augencreme schenkte, weil ich älter aussah als sie.
    Ich weiß , dass Jimmy seinen Bruder geliebt hat. Und dass er sich niemals an mich herangemacht hätte, hätte er geahnt … Schön, vielleicht war Ethan ja in mich verknallt. Aber das ist schon alles. Jimmy hätte ihm niemals absichtlich wehgetan, darauf würde ich mein Leben verwetten. Himmel noch mal, er hat Ethan sogar gebeten, sein Trauzeuge zu sein. In diesem Moment kommt mir ein Gedanke, aber er ist so vage … Da ist etwas … und dann verschwindet es wieder wie ein Fisch in einem schnell fließenden Bach. Spielt auch keine Rolle. Jimmy hat seinen Bruder geliebt. Das konnte jeder sehen. Immer hat er den Arm um den jüngeren und kleineren Ethan geschlungen und sein Haar zerzaust. „Hey, kleiner E.“, hat er gesagt und ihn auf den Kopf geküsst.
    Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass Ethan diesen Spitznamen gehasst haben muss.
    Ich bin so müde. Seit fünfeinhalb Jahren habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen. Nur ein einziges Mal, wie mir jetzt einfällt. In der Nacht, nachdem ich in der Notaufnahme war und Ethan auf mich aufgepasst hat.
    Etwas Heißes und Beißendes wallt in mir auf, aber ich unterdrücke es. Es ist zu schwer. Liebe ist verdammt noch mal viel zu schwer. Wenn du jemanden liebst, gibst du ihm die Macht, dein Leben zu zerstören. Jimmy hat mir in dieser Nacht alles genommen, unsere ganze gemeinsame, sichere und normale Zukunft. Selbst mein altes Ich hat er mitgenommen. Ich darf nicht zulassen, dass irgendwelche Behauptungen von Ethan - oder Doral-Anne, was das betrifft - dem Bild von Jimmy, das ich in meinem Herzen trage, etwas anhaben können.
    „Everything‘s gonna be alright, everything‘s gonna be alright. Everything‘s gonna be alright, everything‘s gonna be alright.“ Meine Stimme zittert beim Singen. Komm schon, Heiliger Marley, hilf mir . Rose und Iris wären entsetzt darüber, dass ich einen Reggae-Sänger um Hilfe anflehe, aber ehrlich gesagt habe ich das mit dem Rosenkranz nie ganz kapiert. Ich stoße