Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
Vom Netzwerk:
ist?«
    »Nein, nicht richtig. Ich kenne es nur so. Und das war immer der Plan. Ich weiß, dass Papa sich in letzter Zeit sehr schuldig fühlte. Aber ich habe nie so genau verstanden warum.«
    »Lucy, es tut mir leid. Aber einen Menschen herzunehmen und   –« Jenny hielt inne und gestikulierte. »Wir werden uns im Laufe der Zeit ausführlicher darüber unterhalten. Aber dieser Plan, sein Plan   …« Jenny holte tief Luft. »Warten wir erst mal ab, bis du dich ein bisschen mehr an die Welt außerhalb des Dschungels gewöhnt hast.«
    »Was wollen wir jetzt machen? Wirst du mich wegschicken?«
    »Nein, nein, natürlich nicht. Das könnte ich nicht. Ich meine, ich habe dich hierher gebracht.« Jenny dachte einen Augenblick nach und sah das Mädchen dann eindringlich an. »Du hast also wirklich keine Familie in England, oder?«
    »Nein. Meine Familie ist im Dschungel. Ich bin ein Hybridwesen.«
    »Nenn dich niemals so. Du bist ein Mensch.« Jenny schlang |81| die Arme um sich, als wäre ihr kalt. Gelbe Sonnenstrahlen lagen heiß auf ihren Knien. »Ich muss erst mal nachdenken und planen. Du kannst nicht nach England fahren. Und in den Kongo kannst du natürlich auf keinen Fall zurück.«
    Lucy trat einen Schritt vor und blieb vor dem Sessel stehen. Jenny hob den Kopf, und eine ganze Weile sahen sie einander an. »Ich habe Angst, Jenny. Ich habe Angst davor, was du jetzt, da du Bescheid weißt, tun wirst. Du bist eine Wissenschaftlerin. Was, wenn du nachdenkst und planst und dann beschließt, dass ich am besten in einem Labor aufgehoben wäre?«
    Jenny ergriff Lucys Hände und zog sie entschlossen zu sich herunter, bis sie auf dem Boden kniete. Jennys rotblondes Haar fiel ihr in langen lockigen Kaskaden um das Gesicht. »Das werde ich niemals tun. Ich werde niemals etwas tun, was dich verletzt. Ich bin im Moment nur ein bisschen schockiert, das ist alles. Lucy, ich verspreche dir eines: Ich werde dich nicht verlassen. Und ich werde mich um dich kümmern. Aber wir müssen vorausdenken für den Fall, dass die Wahrheit herauskommt.«
    »In Ordnung. Ich vertraue dir, Jenny.«
    Jenny stand seufzend auf. Lucy sank auf die Fersen zurück, hockte auf dem afrikanischen Teppich und sah zu Jenny hoch, die ans Fenster trat und in den Garten hinausschaute. Sie konnte Jennys Traurigkeit spüren.
    »Du wirst natürlich hier bleiben.«
    »Es tut mir leid, dass dich das traurig macht.«
    Jenny drehte sich zu Lucy um. »Das macht mich nicht traurig. Du bist reizend und liebenswert, und ich habe dich bereits sehr gern. Traurig macht mich der Gedanke an die Zukunft und an das, was mit dir   – mit uns   – geschehen könnte, weil ich dich hierher gebracht habe.«
    |82| »Was soll ich denn hier machen?«
    »Du wirst zur Schule gehen wie jeder andere Teenager. Du wirst hier bei mir wohnen. Und das ist auch schon alles.« Und plötzlich fröhlicher: »Ich könnte dich adoptieren. In weniger als drei Jahren bist du volljährig. Und in der Zwischenzeit könnte ich dich adoptieren.«
    Lucy wurde ganz aufgeregt bei dem Gedanken. »Das würdest du tun?«
    Jenny dachte einen Moment nach und lachte dann sorglos, fast ausgelassen. »Ich kann gar nicht glauben, dass all das wirklich geschieht. Ja, das würde ich tun. Ich sehe keine andere Möglichkeit. Du musst ohnehin hier bleiben. Und das würde es offiziell machen.«
    Lucy wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder einen Platz in der Welt zu haben. Doch sie hatte ein seltsames Gefühl. Sie hörte das Eichhörnchen rufen. Der Habicht. Dort draußen war immer irgendwo ein Habicht, der seine Kreise zog. »Aber was, wenn jemand die Wahrheit herausfindet?«
    »Für den Fall müssen wir vorausplanen.« Jenny schien ihre innere Stärke wiederzugewinnen. »Ich muss nachdenken. Es richtig durchdenken. Aber vorerst leben wir hier einfach unser Leben.« Sie holte tief Luft, und Lucy konnte sehen, wie sie versuchte, die Dinge in eine logische Reihenfolge zu bringen. »Du wirst ganz normal zur Schule gehen und dich mit Gleichaltrigen anfreunden. Und ich werde dich adoptieren. Dann wirst du amerikanische Staatsbürgerin. Wir werden an den Strand fahren und Partys feiern und Reisen machen und neue Orte ansehen.« Und dann noch begeisterter: »Ja, lass uns eine Reise machen, ehe das Schuljahr beginnt. Das gibt uns Zeit genug zum Nachdenken. Wir fahren rauf nach Boundary Waters. Dort gibt es uralten Wald. Nicht so wie im Kongo, aber es wird dir gefallen.«
    |83| »Wenn du es sagst, gefällt’s mir

Weitere Kostenlose Bücher