Luderplatz: Roman (German Edition)
ungeheuerlicher Vorgang«, erwiderte Rose.
»Das finde ich auch«, sagte Viktoria. »Wie kann man nur eine Frau schlagen?« Sie sprach extra laut.
Rose wurde nervös, schaute sich um – die Nachbarn!
»Sind wir uns einig, Herr Rose?«
Er nickte. Die Hände zu Fäusten geballt.
»Sie kriegen das Problem in den Griff?«
Er nickte erneut, die Fäuste in den Hosentaschen. Fast schien es, als ließe er die Schultern hängen.
Viktoria fand, dass er irgendwie kleiner aussah als sonst.
»Es war ein Ausrutscher. Die Katze, sie hat ihr bestimmt was ins Fressen gemischt, sie mochte sie nie.«
Viktoria schaute ihn streng an. Er hörte auf, sich zu verteidigen.
»Okay. Okay.« Er hob seine Hände. »Es kommt nicht mehr vor.«
Viktoria schaute ihm in die Augen und hätte nicht sagen können, ob er log oder nicht. Von wegen: Augen sind die Fenster zur Seele, oder Tränen lügen nicht. Schwach sinn! Auch Massenmörder, Kinderschänder, Terroristen und Sadisten haben mitunter schöne blaue Augen oder einen Blick, der einen zum Lächeln bringt oder dazu, darin zu versinken. – Und selbst im Moment der schlimmsten Tat, wer weiß schon, wie sie da geschaut haben? Und die, die es wissen, die leben nicht mehr. Viktoria schüttelte den Kopf. So eine beschissene Laune wie heute hatte sie wirklich lange nicht mehr gehabt.
Professor Metzger war hocherfreut über Viktorias Anruf. »Sie haben das ganz großartig gemacht«, lobte er ihren Einsatz im Grunewald. Und er war sich fast sicher, dass Rudolfo seine Cousine fortan in Ruhe lassen würde.
»Er ist kein typischer Schläger«, sagte er und kicherte.
Viktoria war verwundert. »Was ist daran so komisch?«
»Die Katze, also Tiger, sie ist wirklich vergiftet worden.« Metzger lachte jetzt sogar.
»Mein Gott«, Viktoria stimmte mit ein. »Sie haben das Tier also doch obduziert?«
Metzger flüsterte jetzt fast. »Ja, aber das bleibt unter uns.«
Viktoria versprach es. »Rita Rose hat also wirklich die Katze getötet?«
Metzger lachte noch lauter. »Ich fürchte, ja.«
Viktoria lachte zwar mit, ärgerte sich aber auch ein bisschen, dass sie sich diese Top-Story durch die Lappen gehen lassen musste. Sie stand im Wort, und deshalb würde sie nicht in der nächsten Konferenz mit ihren Insider-Informationen auftrumpfen können. Wie gerne hätte sie gesehen, wie ihre vorlaute Klatschkollegin unter ihrem Make-up blass wurde, weil ausgerechnet eine Polizeireporterin in ihrem Bereich gewildert und fette Beute gemacht hatte. Schade, schade, schade. Sie wollte schon auflegen.
»Ach, eine Sache noch. Sie haben sich doch so für die Tote interessiert, bei deren Obduktion Sie anwesend waren.«
Viktoria hielt die Luft an. Was kam denn jetzt?
»Sie hatten wirklich den richtigen Riecher, Frau Latell.« Metzger räusperte sich. »Die junge Dame ist höchstwahrscheinlich an einer Überdosis Insulin gestorben.«
Viktoria verstand es nicht. »Ich dachte, sie sei wegen ihrer Zuckerkrankheit gestorben.«
»Das dachte ich ja auch. Doch das Gegenteil ist wohl der Fall. Sie ist an einem Diabetes-Medikament gestorben. Ich habe ein Einstichloch gefunden, das diese Vermutung erhärtet. In einem kleinen Muttermal war es versteckt. Kaum sichtbar. Selbst für mich.«
Viktoria atmete tief durch. »Also hat ihr jemand das Medikament gespritzt, an dem sie gestorben ist?«
»So sieht es aus. Jemand hat es ihr gespritzt. Die Polizei hat die Ermittlungen bereits aufgenommen.«
Es fühlte sich schlecht an. Falsch. Doch es war richtig. Sie wollte nichts sagen, wollte ihr Handy auf den Grunewalder Asphalt schmeißen, es zertreten und dann mit ihrem Kopf gegen die alten Bäume rennen, ihre Stirn an der Rinde aufschlagen. Doch sie saß einfach nur da. Wie versteinert.
Kai hatte gelogen. Er hatte seine Chance gehabt. Ach was – er hatte sogar mehrere Chancen gehabt. Er hatte sie alle vertan. Sie hatte ihn gefragt, ob er Nana Oppenkamp kennen würde, und er hatte gesagt, dass sie eine Freundin seiner Schwester gewesen sei. Mehr nicht. Sie hatte ihn gefragt, ob er wisse, dass sie tot sei, und er war ihr genervt ausgewichen.
»Ja, wieso. Was soll das. Was hast du mit der?« Mit der . Es klang so abfällig, wie er es sagte, so kalt. Sie hatte ihn nach der Tätowierung gefragt, nach den E-Mails, in denen er ihr den Tod gewünscht hatte, und er hatte nichts mehr gesagt. Er hatte aufgelegt.
Sie machte weiter. Sie rief Mario an und bat ihn herauszufinden, ob die Berliner Freundin von Nana Oppenkamp vielleicht deren
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