Ludlum Robert - Covert 03
vielen Ländern, Afghanen, ein Fulani aus dem Norden von Nigeria … und weiß der Himmel, wer sonst noch alles. Ihr Anführer stammt anscheinend ursprünglich aus Mauretanien. Der Islam ist eine Welt aus vielen Nationen und ethnischen Gruppen, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob es alles Muslime sind.«
Während der drahtige General Smith zuhörte, sah es so aus, als würden die vier Sterne auf seinen Achselklappen kampflustig funkeln, als wollten sie den Terroristen, dem düsteren Himmel vor seinen mit Regentropfen übersäten Fenstern und dem Lametta trotzen, das ihm von der Brusttasche fast bis zur Schulter reichte. Seine Augen blickten scharf, als rekognosziere er jedes Land und jede ethnische Gruppe und könne alle bisher gewonnenen Erkenntnisse analysieren. Das hier hatte aufgehört, eine potenzielle Bedrohung zu sein. Das war die Wirklichkeit. So wirklich und so beunruhigend, dass Henze seinen Sessel herumdrehte und auf seine Smith jetzt schon vertraute Art das Fenster fixierte.
»Indonesien? Malaysia?«, polterte seine Stimme. »Türkei?«
»Bis jetzt nicht. Aber es würde mich gar nicht wundern, wenn die Kerle Rekruten aus all diesen Ländern hätten. Und außerdem liegen uns Hinweise vor, dass auch Stämme und Länder in Zentralasien beteiligt sein könnten.«
Henzes Stuhl wirbelte herum, und der General starrte Smith an. »Hinweise?«
»Ein Mann vom MI6, den ich gut kenne, hat ein ungewöhnliches Pfeifsignal identifiziert, mit dem die Leute sich in der Nacht verständigen, und gesagt, so etwas sei ihm aus Zentralasien vertraut.«
»Die alten Sowjetrepubliken? Tadschiken? Usbeken? Kirgisen und Kasachen?«
Jon nickte, und Henze strich sich nachdenklich mit dem Finger über die Nase. Er griff nach dem dünnen Aktenordner auf seinem Schreibtisch, den er zuerst von den anderen abgesondert hatte, und warf ihn Jon hinüber. »Der Präsident wollte, dass ich Ihnen das hier gebe. Das ist die komplette offizielle NATO-Akte über Hauptmann Darius Bonnard und darüber hinaus das, was das Oval Office bei den Franzosen aufgespürt hat. Sie verdächtigen den Adjutanten von General La Porte? Einen Mann, der hier tätig ist und unser aller Vertrauen genießt? Jemanden, der mir hier praktisch auf dem Schoß sitzt?«
»Ich verdächtige alle und jeden, General.«
»Mich auch?«
Jon dachte an seinen früheren Argwohn hinsichtlich des Besuchs des »Krankenpflegers« in Henzes Pension in Paris.
»Bis jetzt nicht«, antwortete er mit einem dünnen Lächeln.
»Aber ich bin nicht über Verdacht erhaben?«
Jon zögerte kurz und beschloss dann, ebenso brutal offen wie der General zu sein. »Nein, Sir.«
»Herrgott im Himmel«, hauchte Henze. Er lehnte sich zurück und musterte Jon so scharf, dass dieser das Gefühl hatte, ein Laserstrahl erfasse ihn. »Als wir beide gestern miteinander sprachen, wussten wir noch gar nichts. Jetzt wissen wir, dass es diesen Zauberkasten wirklich gibt, dass der große Zampano, der ihn gebaut hat, noch am Leben ist und sich guter Gesundheit erfreut und dass die Bande, die sich den großen Zampano und seine Tochter geschnappt hat, nicht nur multinational, sondern auch multiethnisch ist. Und jetzt möchte ich eine Antwort auf die Frage, die ich vorher gestellt habe: Was machen wir jetzt?«
»Jetzt finden wir sie.«
»Wie?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Das wissen Sie noch nicht?« Henze starrte Smith an. »Und wann zum Teufel werden Sie es wissen?«
»Wenn ich es weiß.«
Henzes Mund klappte auf, und sein knochiges Gesicht lief purpurrot an. »Und Sie glauben, dass ich damit zufrieden bin?«
»Das ist in dieser Art Krieg eben so, General. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr liefern, eine ganze Menge mehr. Ich habe Ideen, Hinweise, Vermutungen, aber ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen jetzt sagen sollte, wie ich die Geschichte anpacken will, geschweige denn wann und wo.«
Der General fuhr fort, Smith anzustarren, aber seine Gesichtsfarbe normalisierte sich allmählich wieder. »Ich mag diese Art von Krieg ganz und gar nicht. Ehrlich.«
»Ich auch nicht. Aber ich fürchte, wir haben keine Wahl.«
Henze nickte bedächtig, und sein Blick schien sich nach innen zu kehren. Er war der oberste NATO-Befehlshaber in Europa, ein Mann, dem sämtliche hoch technisierten, mit der modernsten Computertechnik ausgestatteten Armeen der Mitgliedsnationen zur Verfügung standen. Und doch fühlte er sich angesichts dieses neuen Feindes machtlos – eines nahezu unbekannten Feindes, ohne Territorium, ohne
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