Ludlum Robert - Covert 03
angewachsen war, hatte sich das La-Porte-Anwesen gleichsam als Überbleibsel aus lang vergessenen Zeiten seine klassische Aura bewahren können. Es nannte sich Hethuis – »Burghaus« – nach der mittelalterlichen Herkunft dieses ehrwürdigen Baus und der Familie, die es bewohnte. Heute füllten die Limousinen von führenden NATO-Offizieren und Mitgliedern des Europarates, der sich diese Woche in Brüssel traf, den von Mauern umgebenen Hof.
Im Hauptgebäude hielt General le Comte Roland La Porte Hof. Seinem stattlichen Anwesen angemessen, wirkte La Porte wie ein mittelalterlicher Fürst, wie er jetzt vor dem mächtigen offenen Kamin in der Haupthalle des schlossähnlichen Besitzes stand. Die dunkel vertäfelten Wände zierten alte Waffen, Wappenschilde und die Gemälde großer holländischer und flämischer Maler – alles, was von Jan van Eyck bis hin zu Peter Brueghel Rang und Namen hatte.
EU-Kommissar Enzo Ciccione, der soeben aus Rom eingetroffen war, äußerte seine Meinung in englischer Sprache: »Diese Satellitenprobleme der Amerikaner sind beängstigend und haben viele von uns dazu veranlasst, unsere Ansichten zu überdenken, General La Porte. Vielleicht sind wir tatsächlich von den Vereinigten Staaten und seinen Streitkräften zu abhängig geworden. Schließlich sind die NATO und die USA heutzutage ja kaum mehr voneinander zu unterscheiden.«
»Dennoch ist unsere Beziehung zu den Vereinigten Staaten nützlich gewesen«, erwiderte La Porte auf Französisch, obwohl er wusste, dass Ciccione die Sprache nicht beherrschte. Er legte eine kurze Pause ein, um Cicciones Dolmetscher, der hinter ihm saß, Zeit zu lassen, seine Bemerkung zu übersetzen. »Wir waren nicht bereit, unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Doch jetzt haben wir bei verschiedenen NATOOperationen dringend benötigte militärische Erfahrungen gewonnen. Es kommt nicht einfach darauf an, die Amerikaner herauszufordern, sondern wir müssen unsere eigene wachsende Macht und Bedeutung unter Beweis stellen. Schließlich haben das ja die Amerikaner selbst immer wieder verlangt.«
»Militärische Macht lässt sich auch in wirtschaftlichen Einfluss im Wettbewerb um die internationalen Märkte übersetzen«, gab Kommissar Hans Brecht zu bedenken, der zwar französisch sprach, es aber aus Höflichkeit gegenüber Ciccione vorzog, in englischer Sprache zu antworten. Brecht kam aus Wien. »Und im Übrigen liegen wir ja mit den Vereinigten Staaten bereits im intensiven Wettbewerb um die Weltmärkte, wie Sie gesagt haben, General. Es ist bedauerlich, dass wir so häufig aus strategischen, politischen und militärischen Überlegungen daran gehindert sind, unseren ganzen Einfluss geltend zu machen.«
»Eine sehr ermutigende Ansicht«, bestätigte La Porte. »Manchmal habe ich Sorge, dass wir Europäer den Willen zur Größe verloren haben, der unseren Vätern einstmals
Ansporn war, die Welt zu erobern. Wir dürfen nie vergessen, dass wir nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch alle anderen Nationen der westlichen Hemisphäre geschaffen haben. Bedauerlicherweise sind sie jetzt alle fest in amerikanischem Besitz.« Er seufzte und schüttelte sein mächtiges Haupt. »Manchmal denke ich, Gentlemen, dass auch wir bald im Besitz der Amerikaner sein werden. Vasallenstaaten. England ist das für mich bereits schon. Welches Land wird das nächste sein? Wir alle?«
Die anderen hatten aufmerksam zugehört. Außer den italienischen und österreichischen Kommissaren waren hier auch belgische und dänische Mitglieder des Europarates und dieselben militärischen NATO-Führer versammelt, die erst vor wenigen Tagen auf der Charles de Gaulle ihr Gespräch geführt hatten: der spanische General Valentin Gonzalez mit seinen argwöhnischen Augen und der im kecken Winkel aufgesetzten Militärmütze. Der italienische General Ruggiero Inzaghi mit dem scharf geschnittenen Mund und den durchdringend blickenden Augen. Und der deutsche General Otto Bittrich, grobknochig und nachdenklich. Abwesend war natürlich der britische General Arnold Moore, dessen plötzlicher Tod sie alle erschüttert hatte. Für Männer, die ihr Leben dem Militär gewidmet hatten, waren Unfälle beleidigend; wenn ein Soldat schon nicht das Glück hatte, im Krieg zu fallen, dann sollte er zu Hause im eigenen Bett mit seinen Orden und Erinnerungen sterben.
Als General La Porte seine Ausführungen beendete, war ein Gewirr von Zustimmung und Widerspruch zu hören.
General Bittrich saß ein
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