Lübeck
errichtete man eine gotische, dreischiffige Hallenkirche,
selbstverständlich aus Backstein. Die vier Kugeln neben dem Turm spielen
übrigens auf die vier Ecktürmchen von St. Petri an.
Besichtigt man das schmucke, reich ausgestattete Gotteshaus, meint man,
durch ein uraltes Kunstmuseum zu laufen. St. Jakobi ist nämlich wie
St. Aegidien eine (deutsche) Seltenheit: Beide Häuser blieben von den Bomben
während des Zweiten Weltkriegs verschont.
Gegenüber dem Hauptaltar und an der Nordseite befinden sich zwei
außergewöhnliche und weltberühmte Orgelprospekte, die Elemente der Gotik und
Renaissance vereinen. Das Blockwerk der sog. großen Orgel (Westorgel)
geht auf 1504 zurück, 1673 erweiterte sie Joachim Richborn um zwei Basstürme
und ein Brustwerk. Friedrich Stellwagen vergrößerte bereits 1637 die nach ihm
benannte kleinere Orgel von 1515. Sie zählt zu den bedeutendsten
Musikinstrumenten der Welt. Der Lübecker Organist undKirchenmusiker Hugo Distler
(1908–1942) war noch in den 1930er-Jahren so begeistert von der Stellwagen-Orgel (Nordorgel), dass er sich auf dieser „Königin der
Instrumente“ zu seinen wichtigsten Werken und kleineren Melodien inspirieren
ließ (u. a. „Lübecker Totentanz“, 1934). Ergänzt werden die beiden
Monsterinstrumente vom Richbornpositiv (1673 gebaut, 2003 restauriert),
das rechts vom Hochalter fest verschlossen vor sich hindämmert. Nur nach
Konzerten finden Schlüssel ins Schloss des Schrankes, um das Kleinod
anzusehen. Dann freilich erkennt man: Es ist alles von Hand gefertigt, von den
Mooreichenobertasten bis zu den kleinsten Pfeifchen.
Ein Orgelkonzert in St. Jakobi ist ein besonderes
Klangerlebnis – zumindest wenn man klassische Melodien mag. Gespielt wird auf
drei Orgeln, die den spätmittelalterlichen Klangcharakter auf den originalen
(!) Pfeifen aufleben lassen. Es spielen nationale und internationale Größen
und Studierende der Musikhochschule, die neben den Werken von Buxtehude, Bach
oder Mendelssohn Bartholdy immer auch ein ultramodernes Quietsch-Stück zum
Besten geben.
Jeden Samstag findet um 17 Uhr eine 30-minütige Orgelvesper statt
(kostenlos). Im Juli und Aug. werden Mittwochsmusiken um 17 Uhr (4 €) und
Aufführungen am Fr um 19 Uhr (8 €) gegeben.
Besonders hervorzuheben ist die Gedenkstätte der zivilen Seefahrt, die an die Pamir-Katastrophe erinnert. In der Witte-Kapelle hat das zerschlagene
Rettungsboot 2 eine Heimstätte gefunden. DiePamir, der letzte
Windjammer, der das Kap Hoorn ohne Hilfsmotor umschiffte, gilt seither wie die
Titanic als Synonym für ein Schiffsdesaster. Bis heute ist nicht restlos
geklärt, weshalb die Viermastbark (Viermastsegelschiff) 1957 bei den Azoren
kenterte. Fakt ist, dass die Pamir am 21. September ins Sturmfeld des
Hurrikans „Carrie“ geriet: mit Windgeschwindigkeiten von 130 km/h und bis
zu 14 m hohen Wellen. Von den 86 Seeleuten überlebten gerade einmal sechs in
zwei Rettungsbooten. In einem Schaukasten befinden sich rührende Briefe und
Tagebucheinträge der jugendlichen Kadetten (45 Mitglieder der Besatzung waren
zwischen 16 und 18 Jahre alt). Das Unglück führte dazu, dass das
Schwesterschiff Passat (→ Travemünde) wenige Wochen danach außer Dienst
gestellt wurde.
Bedeutend sind die überlebensgroßen Malereien auf den
Mittelpfeilern. Symbolisch werden die zwölf Apostel und andere Heilige
dargestellt – ein Anonymus malte sie zwischen 1325 und 1350. Wie so oft
entdeckte man die 8 m hohen Kunstwerke im 19. Jh. zufällig unter einer
Kalkschicht.
Außerdem lohnt es sich, einen Blick auf den Brömse-Altar in der
Seitenkapelle vor der Sakristei zu werfen: eine Zusammenarbeit eines
westfälischen Bildhauers und eines niederländischen Künstlers aus dem
15. Jh. An der Ostwand findet sich der Hauptaltar der Jakobikirche. Das
dreiteilige, etwas kitschig wirkende Holzungetüm fertigte der Lübecker
Bildhauer Hieronymus Jakob Hassenberg 1717. Es zeigt in barocken Schnörkeln
und schwarz-weißer Farbe die Grablegung Christi.
Schön sind dann noch die „Lichterbäume“ am Schrankenwerk der
Hogehus- oder Haleholtscho-Kapelle (Nordwand). Dabei handelt es sich um hübsch
bemalte Prozessionsleuchter aus der zweiten Hälfe des 15. Jh. Am vor- und
rückwärtigen Figurenband des Schrankenwerks hat man geflügelte
Volksweisheiten wörtlich ins Bild gesetzt. Schade, dass keine Übersetzungen
der derben Szenen gegeben werden!
St. Jakobi hat den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden
Von
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