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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wir uns den Mörder vorzustellen? Und wenn es der Gleiche ist wie der Schütze vom Dach, wie sieht er aus?«
    »Er hat vielleicht was Militärisches«, sagte Georgie nach einer Weile.
    »Und wie soll das aussehen, das Militärische?«, fragte Stachelmann.
    Keine Antwort.
    Stachelmann überlegte, wie einer aussah, der mit einer Kriegswaffe auf Menschen schoss oder sie abschlachtete, wie er Brigitte abgeschlachtet hatte.
    »Der Mann ist kräftig«, sagte Stachelmann. »Trainiert.«
    Georgie wiegte den Kopf. »Hm.«
    »So ein Gewehr ist schwer, und es hat einen gewaltigen Rückstoß«, sagte Stachelmann. Das wusste er aus Gesprächen mit Kommilitonen in Heidelberg, die bei der Bundeswehr gewesen waren. »Und es ist auch kein Kinderspiel, eine junge Frau zu überwältigen.« Er erinnerte sich an den Überfall der Skins. »Die hat sich bestimmt gewehrt, und sie war doch recht sportlich. Also, wir halten fest, der Typ ist kräftig.«
    »Oder fett«, sagte Georgie. »Sodass er sie mit seinem Gewicht quasi erdrückt hat.«
    »Kann sein«, sagte Stachelmann. Das Bild, das er gerade geformt hatte, löste sich wieder auf. »Und wie alt mag er sein?«
    »Zwischen neunzehn und siebzig.«
    Georgie hatte recht. Auch wenn es jede Hoffnung zerstörte, sich eine Vorstellung von dem Mörder zu machen.
    »Es war ein Mann, und er war kräftig, vielleicht athletisch, vielleicht fett. Wobei ein fetter Mann Mühe haben dürfte, aufs Dach der WiSo-Fakultät zu steigen. Er müsste sich eine Weile ausgeruht haben, um den Pulsschlag und die Atmung auf Normalmaß herunterzubringen. Sonst kann man nicht treffen. Auch wenn man vorbeischießen will.«
    »Und er muss Brigitte gekannt haben. Sie hatten etwas miteinander zu tun. Vielleicht, dass sie herausbekommen hat, wer der Schütze ist?«
    »Aber sie hat nichts angedeutet. Überleg nochmal.«
    Georgie schüttelte den Kopf.
    »Wenn sie abgetaucht war, wo war sie dann? Bei wem?«
    »Hm. Keine Ahnung.«
    Stachelmann konnte an Georgies Gesicht ablesen, wie der sich quälte, um Antworten zu finden. Aber er fand keine.
    »Wer kann noch etwas wissen? Die anderen ... Kommilitonen, Frankie, Halil?«
    »Ach, die gehörten irgendwie dazu, aber ins Vertrauen hat Gitte die nicht gezogen. Eine Zeit lang dachte ich, hoffte ich, sie würde was mit Halil anfangen, das ist ein feiner Kerl, leider Hetero, aber es wurde nichts draus. Hm.«
    Stachelmann schaute auf die Uhr. Schon nach Mitternacht. »Kann ich hier pennen?«
    Georgie nickte. »Klar. Wir haben ja ein Zimmer frei.« Er lachte gequält. »Tut mir leid. War nicht so witzig.«
    Stachelmann winkte ab. Er ging in Brigittes Zimmer, schloss die Tür, hängte Hose und Hemd über die Lehne des Schreibtischstuhls und legte sich auf Brigittes Bett. Er richtete sich noch einmal auf und zog die Decke, die er am Fußende entdeckt hatte, bis zum Kinn, nachdem er wieder lag. An der Wand hing ein schmales Brett, darauf standen Fotos. Ein Bild zeigte die Eltern, ein anderes Brigitte, vielleicht zehn, elf Jahre, inmitten junger Mädchen. Ein Kindergeburtstag oder so etwas. Dann eine Ansichtskarte von Stockholm, natürlich unter blauem Himmel. Er nahm die Karte, die üblichen Ansichtskartensätze – »es geht uns gut, das Wetter ist schön« –, die Unterschriften unleserlich, wohl die Eltern. Wie sie es verarbeiten würden, dass Brigitte nun tot ist? Georgie hatte mit ihnen telefoniert, er erinnerte sich. Und gesagt, die Eltern wüssten nichts. Darauf verlasse ich mich. Wenn ich es nicht täte, müsste ich alles anzweifeln, was Georgie sagt. Dann könnte ich die Suche gleich beenden.
    Er schaltete die Leselampe auf der zum Nachttisch umfunktionierten Holzkiste aus. Jetzt konnte er sie riechen. Sie war tot, aber ihr Geruch hing im Bett, schwach, aber wahrnehmbar. Es war gespenstisch. Dann bildete er sich ein, die Haare zu riechen, auch den Hals. Er schaltete das Licht ein und versuchte die Gedanken zu vertreiben. Du bist verrückt, dass du dich in ihr Bett gelegt hast. Aber seit wann glaubst du an Geister? Sie ist tot, und natürlich riecht ihre Bettwäsche nach ihr. So wie deine nach dir riecht. Kaum hatte er das Licht ausgeschaltet, erschien das Bild, die Leiche in seinem Büro. Wieder das Licht an. Er stand auf und betrachtete das Bücherregal. Sie hatte viel gelesen, historische Fachliteratur, fast alles über Nationalsozialismus und Widerstand. Er entdeckte ein Taschenbuch mit dem seltsamen Titel »Der 21. Juli«, ein Roman, in dem das Attentat auf Hitler gelang. So

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