Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
besorgen«, sagte ich und ging zur Haustür. »Ich mache nämlich ab heute eine Abmagerungskur.«
»Was? Du?«, fragte Philipp. »Was ist denn nur mit dir los, Hannilein?«
Ich stolperte beinahe über eine Schnecke mit der Aufschrift »love«, die sich direkt vor die Fußmatte verirrt hatte. Das brachte mich auf eine Idee.
»Vielleicht bin ich verliebt«, warf ich über meine Schulter. Vielleicht war ich ja wirklich verliebt. Boris und ich hatten schließlich dreihundertsiebenundneunzig Punkte erreicht. Wenn das kein Grund war, mich in ihn zu verlieben, dann wusste ich es aber auch nicht.
Hinter mir im Garten herrschte verblüfftes Schweigen.
Mit einem zufriedenen Grinsen verschwand ich im Haus. Ich vertilgte noch eine Paprika und eine Scheibe Knäckebrot ohne alles, um meinen knurrenden Magen zu beruhigen, auch wenn das bedeutete, dass ich mir eine Wolke in den Kalender malen musste.
Danach war ich immer noch hungrig.
»Statt essen: Ein Bad nehmen«, stand auf einer der Karteikarten in meiner Handtasche, und das tat ich dann auch. Anschließend ging ich hungrig zu Bett und träumte von Gazellen und Nilpferden und einem Kran, der mich morgens zur Arbeit hievte.
9. Kapitel
W ie geht es dir?«, fragte Carla am nächsten Morgen in der Redaktion. Wir waren allein in meinem Büro: Herzchen war immer noch schwanger geschrieben, und Marianne war noch nicht da.
Ich ließ meinen Magen die Antwort knurren: »Grrrrrrr.« Der Apfel, der mein Frühstück gewesen war, hatte ihn nur gereizt, nicht befriedigt.
»Nach spätestens vier Wochen hast du dich daran gewöhnt«, sagte Carla zu meinem Magen. »Dann verschwindet das permanente Hungergefühl, und du wirst auch von kleinen Portionen satt.«
»Wenn ich so lange lebe!«
»Bist du heute schon gelaufen?«
»Ja«, sagte ich. »Wenn man es denn so nennen will.« Ich hatte mich um halb sieben in meine Turnschuhe und den Jogginganzug gequält und aus dem Haus geschlichen. Es war frühlingshaft warm gewesen, und ich war wild entschlossen die Einfahrt hinuntergelaufen. Dabei war ich an zwei Schnecken vorbeigekommen, von denen die eine die Aufschrift »black« und die andere die Aufschrift »day« trug.
Das Schneckenorakel hatte gesprochen: An der nächsten Laterne machte ich nämlich schlapp. Ich meine, wirklich schlapp. Es blieb mir nichts anderes übrig als umzukehren, und ich war froh, dass ich es lebend ins Haus zurückschaffte.
»Ich wollte einmal um den Block«, sagte ich wehmütig.
»Super«, meinte Carla. »Am Anfang reichen kleine Runden völlig.«
»Ja, aber so klein dann wohl doch nicht. Es waren etwa hundert Meter hin und hundert Meter zurück«, sagte ich. »Ich hatte Seitenstechen, akute Atembeschwerden, und in meinem Mund schmeckte es nach Blut. Wahrscheinlich bin ich nur ganz knapp einem Herzinfarkt entkommen.«
»Du bist zu schnell gelaufen«, konstatierte Carla. »Damit habe ich schon gerechnet. Hier!« Sie hielt mir eine Armbanduhr und einen schwarzen Gurt hin. »Das ist meine Pulsuhr, damit wirst du ab jetzt deinen Puls kontrollieren. Anfänger laufen immer zu schnell, und das bringt überhaupt nichts in punkto Fettverbrennung. Du musst so langsam trainieren, dass du nicht außer Atem kommst, das heißt, du darfst eine Pulsfrequenz von etwa hundertvierzig Schlägen pro Minute nicht überschreiten. Am Anfang reicht es völlig, wenn du bei hundertzwanzig trainierst. Das kann man dann stundenlang durchhalten. Los, zieh deinen Pullover hoch.«
»Wie bitte?«
»Der Gurt wird um die Brust geschnallt«, erklärte Carla. »Ich zeig’s dir.«
Was unter meinem Pullover lag, war normalerweile gut gehütete Privatsphäre. Eine ziemlich weich gepolsterte Privatsphäre. Ich rollte den Pulli nur ungern hoch.
Carla kniff auch sogleich mit beiden Händen mitten hinein in meine Privatsphäre. Ich quiekte empört auf.
»Keine Sorge, das hier kriegen wir im Fitnessstudio in den Griff«, sagte Carla beruhigend. »Du wirst sehen, zehn Kilo weniger und sechs Monate eisernes Problemzonentraining, und du hast einen Waschbrettbauch.«
»Meinst du, Boris lässt sich ein halbes Jahr hinhalten? Er war ja schon enttäuscht, weil ich gesagt habe, dass es diese Woche nicht klappt.«
Carla befestigte den Brustgurt und zog gnädig wieder den Pullover über meine Speckrollen. »Das wird sich zeigen«, sagte sie. »Eins nach dem anderen. Heute ist erst mal dein Rohkosttag. Und wenn du das durchhältst und heute Abend noch eine halbe Stunde im Fettverbrennungsbereich
Weitere Kostenlose Bücher