Luegen haben huebsche Beine
Korridor stand Mum mit einem Mann, und die beiden unterhielten sich. Ich konnte ihre Gesichter nicht sehen, aber Mums Stimme klang aufgeregt.
»Noch ein paar Tage, und wir haben das Geld. Dann fängt ein ganz neues Leben an.«
Sie blickte kurz in meine Richtung. Ich schloss die Augen ganz schnell wieder, und sie zog die Zimmertür hinter sich zu.
Mit einem Schlag war ich hellwach. Mein Herz raste wie verrückt, und meine Hände waren vom Schweiß feucht. Mein Ersatz-Inhalator lag in der Schublade meines Nachttischs, und ich nahm einen tiefen Zug, bevor meine Lungen vor lauter Panik kollabierten.
Was hatte das zu bedeuten? Hatten Mum und Harry doch die Absicht gehabt, uns allein zurückzulassen? Trotz allem hatten wir uns immer an dem Glauben festgehalten, dass unsere Mutter uns freiwillig niemals verlassen hätte. Was, wenn wir uns all die Jahre nur etwas vorgemacht hatten?
Ich versuchte, meine Atmung in den Griff zu bekommen, um mich besser auf meine Gedanken konzentrieren zu können. Ich wünschte, Kip oder Charlie wären zu Hause. Kip hätte mindestens eine Million Ideen gehabt, was Mum mit ihren Worten gemeint haben mochte, und Charlie hätte mich beruhigt und mir mit ihrer kühlen Logik alle Ängste genommen.
Ich stolperte ins Badezimmer und ließ mir kaltes Wasser über das Gesicht laufen, dann versuchte ich, mir vernunftmäßig zu erklären, woran ich mich da gerade erinnert hatte. Es ging um etwas Bedeutsames, warum sonst hätte ich mich daran erinnert? Ich hatte allerdings nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn ich musste bald in den Park, um die Hunde Gassi zu führen.
Philippes Auto stand bereits auf dem Parkplatz, als ich dort ankam. Die Hunde erschienen mir größer und ungestümer als am Vortag. Ich hoffte, dass ich mich an all das erinnern konnte, was ich mir angelesen hatte.
»Sie wollen unbedingt los, weil wir heute spät dran sind«, verkündete Philippe, als er Rafe und Leon aus seinem Wagen ließ und sie anleinte.
Er übertrieb nicht. Ich bekam Leons Leine in die Hand gedrückt und lag im nächsten Moment nahezu flach auf der Nase, so eilig hatte es der Hund, in den Park zu kommen. Ich tat, was ich konnte, und tönte »Sitz!« und »Platz!«, während Philippe an Rafe herumpatschte. Es bedurfte mehrerer Anläufe, doch gelang es mir schließlich, meine Autorität zu behaupten. Lautlos sprach ich ein Dankgebet an meine Leihbücher aus der Bibliothek.
»Heute kann ich nicht so sehr weit laufen. Der Physiotherapeut hat gesagt, ich müsse vorsichtiger sein, wenn ich am Samstag spielen will. Ich werde dich bis zum Feld begleiten, und da nimmst du die Hunde dann, sí?«
»Okay.« Mist. Nun denn, irgendwann musste ich ja auch allein mit ihnen fertigwerden, und immerhin war Philippe in meiner Nähe, wenn ich dabei Schwierigkeiten bekommen sollte. Wir begannen, den Weg hinunterzutraben. Dabei horchte ich die ganze Zeit, ob verdächtige Geräusche aus den Büschen drangen. Dieses Mal versteckten sich wenigstens nirgendwo Fotografen – zumindest keine, die mir aufgefallen wären. Ich wurde mit einer solchen Geschwindigkeit mitgerissen, dass mir kaum Gelegenheit blieb, das nachzuprüfen.
Als die Tiere frei herumlaufen konnten, ließ ich Philippe auf einer Bank ausruhen und trottete pflichtbeflissen hinter den Schäferhunden her. Ich schaffte es, sie von den Gänsen fernzuhalten und zu verhindern, dass sie sich in den See stürzten. Alles lief prima, bis sie plötzlich im Unterholz am Rand des Parks etwas Interessantes witterten und losjagten, was mich zwang, ihnen mit hängender Zunge nachzuhechten.
Den Rand des Parks bildeten Büsche, hoch stehendes Gras und Bäume. Ich warf mich ins Gesträuch und rief nach den Hunden. Es sah so als, als sei ich in ein Gebiet eingedrungen, das die Kinder in der Gegend dazu nutzten, um sich kleine Lager zu bauen, denn überall zwischen den Bäumen waren Spuren von Lagerfeuern und kahle, abgebrannte Stellen im Gras.
Letzten Endes hatte ich die Hunde eingeholt, die hoffnungsvoll an einem Kaninchenbau schnupperten. Ich wollte nicht das Risiko eingehen, sie noch einmal zu verlieren, also leinte ich sie an, bevor wir zu Philippe zurückgingen.
Die Hunde grüßten ihn mit wedelnden Schwänzen und großer Freude.
»Du kannst fantastisch mit Tieren umgehen, Abbey. Morgen kommst du zu uns nach Hause und führst sie dann von da aus. Meine Mama wird daheim sein und dich hereinlassen. Wäre das in Ordnung für dich?«
Es sah danach aus, als ginge Charlies Plan
Weitere Kostenlose Bücher