Lügen & Liebhaber
will!« Toni hatte Tränen in den Augen. Sie tat mir wirklich leid.
»Es gibt doch noch andere Dinge im Leben«, sagte ich leise.
»Aber nicht für mich!« Jetzt weinte Toni, und ich nahm sie in den Arm.
»Hast du dir mal überlegt, ob dein wahnsinnig überzogener Kinderwunsch nicht damit zusammenhängt, daß dir irgend etwas in deinem Leben fehlt?«
»Ja, ein Kind«, antwortete Toni prompt. Irgendwie hakte ihr Verstand bei diesem Thema grundsätzlich aus.
»Vielleicht hat die Natur aber keine Kinder für dich vorgesehen. Ein Wink des Schicksals, daß du dich für andere Dinge engagieren sollst. Immerhin weißt du gar nicht, wie es mit einem Baby sein wird!«
»Du hast ja keine Ahnung!« schrie Toni. Sie sprang aus dem Bett, stampfte mit dem Fuß auf und fing hysterisch an zu heulen. So hatte ich sie noch nie erlebt.
Ich blieb einfach liegen, warf noch ein, was denn wäre, wenn sie tatsächlich Drillinge bekäme, und schaute mir ansonsten das Theater an. Hoffentlich haute sie jetzt nicht ab.
Nach einer Weile wurde ihr Geheule weniger, sie stand in der Mitte des Zimmers und ließ ihre Arme trauerweidenartig hängen.
»Komm ins Bett«, sagte ich, woraufhin Toni sich sofort in Bewegung setzte. Sie kuschelte sich an mich und fing wieder an zu weinen. Diesmal so leise, daß es kaum zu hören war.
»Und wenn du mm recht hast?« Sie hob ihren Kopf und sah mich mit einer Verzweiflung an, daß es mir fast das Herz brach.
Ich streichelte ihre haarsprayverklebten Haare und sagte nichts.
»Ich hab mir immer ein Kind gewünscht. Immer! Und wenn ich jetzt keins bekomme … Ich weiß nicht … Vielleicht drehe ich durch! Es gibt einfach nichts, was mich sonst ausfüllt.«
»Toni.« Ich verstärkte den Druck meiner Hände auf ihren Kopf und überlegte noch, ob ich es überhaupt sagen sollte. Hinterherhätte sie einiges gegen mich in der Hand. Aber nach diesem Abend konnte ich es nicht für mich behalten. »Vielleicht will ich dich gar nicht mit einem Kind.« Ich lachte bitter auf.
»Geschweige denn mit Zwillingen oder Drillingen.«
Toni sah mich von der Seite an. Ihre Wimperntusche hatte dunkle Spuren unter ihren Augen hinterlassen.
»Und wieso nicht? was macht das für einen Unterschied – ich mit einem Kind?«
»Nichts wäre mehr so wie früher.«
»Aber klar. Du bist und bleibst meine beste Freundin.«
»Kann sein. Aber ich verliere auf deiner Beliebtheitsskala etliche Punkte.«
»Das ist doch Quatsch!« Toni verschluckte sich fast an ihrem Rotz.
»Auch wenn du es nicht willst, es geschieht automatisch.«
Toni preßte sich an mich. Darauf wußte sie nichts zu sagen.
*
Ich wachte davon auf, daß Toni mir einen Kaffee ans Bett brachte. Sie war bereits fix und fertig angezogen und hatte meinen bräunlichen Lippenstift aufgetragen.
»Morgen!« Toni strahlte, als habe es gestern abend gar nicht gegeben. Vielleicht hatte unser Disput wie ein reinigendes Gewitter auf sie gewirkt.
»Ich wollte dir doch Frühstück machen«, sagte ich und rieb mir meinen schmerzenden Kopf.
»Nicht so tragisch.« Sie zog mir die Decke ein Stück weg. »Sylvie, ich muß los.«
»Schade.«
»Bitte zwing mich nicht wieder, deinetwegen meine Pläne über den Haufen zu werfen. Ich war noch nicht mal im Bioladen.« Toni zog die Nase kraus.
Ich nickte nur und nahm vorsichtig einen Schluck Kaffee. Hoffentlich würde mich mein Kopf nicht den ganzen Tag an die gestrige Sauferei erinnern.
Kaum war die Tür hinter Toni ins Schloß gefallen, wurde ich so traurig, daß ich es nicht über mich brachte aufzustehen. was erwartete mich schon groß an diesem Tag? Ein Haufen schmutziger Wäsche und ein ebenso großer Haufen düsterer Gedanken. Also blieb ich einfach liegen, las einen Krimi, döste vor mich hin und beobachtete in wenigen wachen Momenten das Grün der Akazie vor meinem Fenster Die Blätter bogen sich unkoordiniert im Wind; ab und zu ließ sich eine Amsel auf einem Zweig nieder, um irgendein Lied zu tirilieren.
Am späten Nachmittag – ich dümpelte immer noch im Bett vor mich hin – schreckte ich vom Telefonklingeln hoch. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, im Falle eines Falles nicht ranzugehen, doch dann nahm ich reflexartig den Hörer ab.
»Bist du gut angekommen?« Es war Karl.
»Ja. Ja!« sagte ich gereizt.
»Was ist los, Sylvie?«
»Nichts. Ich bin nur etwas … weißt du, was ›unpäßlich‹ ist?«
»Mhm.« Wahrscheinlich sollte das so etwas wie »ja« bedeuten. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Toni
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