Lügen & Liebhaber
sich.
Mir war flau im Magen, eigentlich wußte ich nicht, wozu man am Ende einer Beziehung mit dem Beichten anfangen sollte.
»Skip, du mußt nicht, wenn du nicht willst …«
»Doch.« Er sah mich ernst an. »Du wirst mir nicht glauben. Aber ich hab’s noch nie jemandem erzählt.«
Auch das noch. Warum hatte er ausgerechnet mich für sein großesGeständnis vorgesehen? Hoffentlich würde er es endlich hinter sich bringen. Wenn ich Pech hatte, gefiel er sich darin, den großen Auftritt zu inszenieren. Mitten in die Dramatik der Situation hinein fing ich an zu gähnen. Nicht mit Absicht, aber ich hatte mich auch nicht gerade angestrengt, den Gähner zu unterdrücken.
»Du willst es gar nicht wissen.« Skip schloß die Augen und preßte seine Fingerspitzen auf die Lider.
»Doch!« Hätte ich ihm vielleicht sagen sollen, daß ich bereits wußte, was jetzt kommen würde?
»Also gut: Ich bin ein ganz großes Journalistenschwein.«
»Wie?« Überflüssig zu erwähnen, daß ich baff war.
»Vielleicht kannst du es dir nicht vorstellen, aber für den Job bin ich bereit, über Leichen zu gehen.« Er räusperte sich. »Sorry – war . Die Scheißgeschichte liegt schon etwas zurück.«
Er machte eine Kunstpause, suchte nach Zigaretten, und da seine Packung Luckys leer war, hielt ich ihm die geschenkte No-name-Packung hin. Meine Neugier war geweckt. Nichts mehr von wegen Müdigkeit.
»Okay du willst es also wirklich hören?«
»Ja, mein Gott! Mach mich nicht wahnsinnig! Entweder erzählst du’s mir endlich oder …«
Leider fiel mir keine entsprechende Drohung ein, aber Skip hatte sich schon viel zu weit in die Geschichte hineinmanövriert, um jetzt noch zurück zu können.
»Es war gleich nach meinem Volontariat. Das heißt so ziemlich gleich danach … Vielleicht ein, zwei Monate nach der Übernahme. Oder vier?« Skip sog schmatzend an der Zigarette. Seine Finger zitterten. »Ich war damals auf der Autobahn nach Bielefeld. Nach langem mal wieder die Eltern besuchen. Auf einmal gibt’s einen Riesenknall. Weißt du, es macht einfach peng und rumst, und du weißt erst gar nicht, was los ist. Ich geh in die Bremsen, fahr irgendwie rechts ran, keine Ahnung, wieso, weshalb, einfach nur Reflex …«
»Große Scheiße …« Zum Glück war noch eine letzte Zigarette in meiner Schachtel.
»Dann ist auf einmal Totenstille. So was kann man nicht begreifen. Du stehst auf dem Seitenstreifen der Autobahn, aber kein Auto fährt an dir vorbei. Alles ruhig. Wie nach dem Supergau.«
»Was ist passiert?«
Aber Skip schüttelte den Kopf und machte mit seiner freien Hand eine beschwichtigende Geste. »Das erste, was ich tue: Ich guck an mir runter. Ob noch alles dran ist, verstehst du? Ob ich vielleicht blute oder so. Aber alles okay. Keine Schmerzen, nichts. Dann bin ich raus. Hinter mir ineinander verkeilte Wagen und vor mir auch. Nur ich … Weißt du, ich hab als einziger keinen Kratzer abgekriegt!«
»Hast du dir das nicht zufällig ausgedacht?« fragte ich dazwischen. Irgendwie hörte sich die Story ziemlich abstrus an.
»Leider nicht. Obwohl ich’s gern getan hätte – das kannst du mir glauben!«
»Weiter?«
Skip zog abwechselnd an der Zigarette und knabberte an seinem Daumennagel. »Ich bin ein Stück vorgelaufen, und dann hab ich’s erst gesehen. Zwischen all dem Blech … blutige Teile. Kannst du dir das vorstellen? Leichenteile! eine abgerissene Hand … Grauenvoll … Weiß der Teufel, was da sonst noch alles rumlag. Und irgendwo stöhnte jemand. Der reinste Horrortrip …«
Ich hätte Skip gern etwas Tröstendes gesagt, aber es ging nicht. Mir fiel nur die dümmste aller Fragen ein: »Aber dann sind doch sicher bald die Rettungswagen gekommen?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht «
»Hört sich ganz nach Schock an.«
Skip wich meinem Blick aus. »Wenn ich wenigstens zur nächsten Notrufsäule gelaufen wäre«, sagte er und fügte leise hinzu:
»Ich hab auch keine erste Hilfe geleistet, verstehst du?«
»Was hast du denn getan?«
»Meine Kamera geholt«, meinte Skip nüchtern. Mit hektischen. Bewegungen drückte er seine Zigarette aus.
Ich starrte vor mich hin und konnte keinen Ton sagen.
»Nun guck nicht so! Ich sag dir ja, ich bin ein Schwein!« Skip war rot angelaufen. »Ich hab geknipst, was mir vor die Linse kam! Matsch und Blut und Gehirn, egal! Und weißt du, wie ich mich gefühlt hab? Völlig euphorisiert, total high!«
Ungläubig sah ich Skip an. Warum, zum Teufel,
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