Lügen & Liebhaber
stieg er ausgerechnet in diesem Moment in seine Schuhe? Wollte er jetzt gehen?
»Kein Wunder, daß mein Leben so im Arsch ist …«
»Moment mal. Wie ist die Sache mit den Fotos weitergegangen?«
»Ich hab den Film in der Krankenhaustoilette in den Abfalleimer geworfen.«
Jetzt verstand ich gar nichts mehr und bat Skip, doch bitte chronologisch weiterzuerzählen.
»Irgendwann kamen Rettungshubschrauber und Krankenwagen und all das Zeug. Man hat mich vorsichtshalber ins Krankenhaus gebracht.«
Ich nickte. Und als ob ich Skip im nachhinein verteidigen müßte, stellte ich fest: »Immerhin hast du die Fotos nicht veröffentlicht.«
»Meinst du?« Skip sah mich böse an, als hätte ich mich als mieser Paparazzo aufgeführt. »Aber im Kopf hatte ich es schon fast getan! Ganz abgesehen davon, daß ich vielleicht ein paar Menschenleben auf dem Gewissen habe. Unterlassene Hilfeleistung …«
Unter diesem Aspekt hatte ich die Sache noch nicht betrachtet.
»Zwölf Leute sind bei der Karambolage ums Leben gekommen!«
»Ja, und du hast verdammtes Glück gehabt«, flüsterte ich vor mich hin. Ich war versucht, Skips Hand zu nehmen, ließ es dann aber doch bleiben.
»Ich mach mich jetzt besser mal auf den Weg.« Skip streichelte flüchtig meine Wange und ging zur Tür. Wo blieb sie nur, die Geschichte von den behaarten Frauen?
»Es wäre doch schön, wenn wir Freunde bleiben könnten«, sagte er, während er unbeholfen mit seinem Ärmel die Klinke polierte.
»Ja. Du hast recht.«
Wir gaben uns einen recht unfreundschaftlichen Kuß, und dann war ich allein.
*
Es war irgendwie irritierend. Kaum hatte Skip mir irgendeine Herz-Schmerz-Geschichte aus seiner finsteren Vergangenheit aufgetischt, war ich wieder weichgeklopft und wollte die Affäre unbedingt fortsetzen. Gleich am nächsten Tag kontaktierte ich ihn auf seinem Handy und lud ihn für den Abend ein. Der Auftakt zur zweiten Runde. Die bestand darin, ihn, solange er noch in Hamburg war, so oft wie möglich zu treffen und mit ihm zu schlafen. Er konnte wieder. Meistens jedenfalls, und dem einen Mal, als es nicht klappte, maß ich keine weitere Bedeutung bei.
So gesehen hatte ich also meine drei Männer wieder. Oskar hielt ich in diesem Zeitraum hin, und als Skip nach Berlin abfuhr, setzten Oskar und ich unseren auf Petting reduzierten Sex in alter Manier fort.
Einmal fragte mich Oskar, ob Frauen eigentlich parallel mit mehreren Männern schlafen könnten, woraufhin ich verlauten ließ, keine Ahnung, da sollte wohl jede für sich sprechen.
»Und du?«
»Nö. Glaub nicht«, log ich, aber Oskar ließ nicht locker und wollte wissen, ob es irgendwann mal in meinem Leben vorgekommen sei.
»Schon möglich … Ja …« Vielleicht nahm man mir den Heiligenschein nicht so ganz ab.
»Und wie war’s? Hast du es genossen?«
»Ich bin vor die Hunde gegangen«, sagte ich, indem ich eine tragische Miene aufsetzte.
Oskar umarmte mich und wollte mich wohl im nachhinein trösten, aber ich mußte nur grinsen: Sicher – zuviel Sex auf einmal war eben eine anstrengende Sache. Da ging man schon mal vor die Hunde.
Karl als Dritten im Bunde in mein Liebesleben zu integrieren, war ein leichtes: Immer wenn ich einen Abend frei hatte, rief ich ihn an – wie gehabt –, falls aber einer meiner Lover bei mir im Bett lag, stöpselte ich das Telefon kurzerhand aus. So einfach war das, und Karl spielte bravourös mit. Nicht einmal beschwerte er sich, ich solle endlich mal mein Telefon reparieren lassen, ganz abgesehen davon schien das Thema Schulden wirklich nicht mehr an der Tagesordnung zu sein.
Aber ich hatte mir auch nichts vorzuwerfen. Schließlich arbeitete ich mit allen Kräften daran, das Geld aufzutreiben. Liebe hin, Liebe her – ich wollte nicht finanziell in Karls Schuld stehen.
Seit der Sache mit der Garçonne-Perücke war ich auf die Idee gekommen, daß es nicht schaden konnte, mir ab und zu eine andere Identität zuzulegen. Ich lieh mir von Toni eine graumelierte Faschingsperücke und verwandelte mich mit Hilfe von beigefarbenem Make-up und alten, ausrangierten Klamotten in eine Endvierzigerin, ziemlich langweilig und ziemlich unscheinbar. Sinn und Zweck dieser Aktion war, Geld zu sparen. Und Geld sparte man, indem man nicht viel ausgab, was wiederum bedeutete, daß man sich die notwendigen Dinge des Alltags, ohne zu bezahlen, besorgte.
Ich entwickelte sehr schnell eine geradezu außergewöhnliche Geschicklichkeit. Ließ im Supermarkt von der Tütensuppe bis zum
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