Lügennetz: Thriller (German Edition)
bis auf die Knochen nass.
Natürlich, dachte ich, als ich mich endlich nach drinnen durchgequetscht hatte. Es regnet immer, wenn man zu spät zum allerersten Geschäftsessen mit seinem Chef kommt, ohne vorher auf den Wetterbericht geachtet zu haben.
Um noch eins draufzusetzen, stand eine geschmeidige, perfekt aussehende nordische Schönheit am Empfang. Sie bedachte mein triefnasses Äußeres mit leicht hochgezogener Augenbraue, bevor sie nett lächelte. » Willkommen im Patroon. Ihr Name? « , fragte sie.
Ich positionierte mich so aufrecht und königinnenhaft, wie ich konnte, und brachte alle Kraft auf, um so zu tun, als wäre nass zu sein wie eine ertrunkene Ratte das neue Schwarz. » Nina « , antwortete ich und schnippte mein ruiniertes Haar mit einem, wie ich hoffte, anmutigen und professionell kompetenten Lächeln aus den Augen. » Mein Name ist Nina Bloom. «
Glück gehabt– mein Chef war noch nicht eingetroffen, so dass ich auf der Toilette Make-up und Haar etwas restaurieren konnte, bevor ich auf die abseits stehende Polsterbank zurückkehrte, die mir zugewiesen worden war.
Während ich wartete, konnte ich zum ersten Mal entspannen und mein Umfeld in Augenschein nehmen. In diesem Mekka für Geschäftsessen schlossen die Macher der Medienelite in maßgeschneiderten Anzügen ihre Verträge neben botoxgespritzten Modeopfern der S-Klasse. Zwischen San-Pellegrino-Flaschen erblickte ich Ivanka Trump und Anderson Cooper, die miteinander plauderten.
Na ja, es war mehr so, als würde ich Ivanka und Anderson geflissentlich übersehen, weil wir im Moment nicht miteinander sprachen. Ein oder zwei Sachen hatte ich in meinen beiden Jahrzehnten in Manhattan schließlich gelernt.
Nach einer Weile lächelte ich, hob inmitten der Akteure der Macht mein Glas mit Mineralwasser zur Decke des Restaurants und nahm einen Schluck. In Anbetracht meiner Ankunft in New York 1994 mit nichts als den Kleidern am und Emma in meinem Leib hatte ich allen Grund, mir selbst zuzuprosten.
Vor allem dafür, dass ich einfach nur überlebt hatte.
Ich dachte an den ganzen Wahnsinn dieser ersten Jahre. Die grässliche Spelunke um die Ecke vom Madison Square Garden, wo ich gearbeitet hatte, bis ich meinen Bauch nicht mehr verbergen konnte. Der Ort in Chinatown, wo ich meinen ersten falschen Ausweis bekommen hatte. Den Schuhkarton von einer Wohnung in Spanish Harlem, in den ich Emma nach der Entbindung im Lenox Hill Hospital gebracht hatte.
Meine » Bombenkarriere « , wie Emma sie nannte, hatte sich später entwickelt. Nach ein paar kreativ geschriebenen Lebensläufen, einem Kurs an einem Institut für Karrieremacher und einer ganzen Portion Glück hatte ich meinen ersten Job, bei dem ich nicht als Kellnerin arbeitete, als nicht studierte Rechtsberaterin bei Scott, Maxwell und Bond angetreten, einer der mächtigsten Anwaltskanzleien in der Stadt.
Ich dachte, für eine Anwaltskanzlei zu arbeiten wäre eine gute Möglichkeit, zu etwas mehr Geld zu kommen, doch vom ersten Moment an hatte mich die Arbeit an sich begeistert. Es hatte etwas Faszinierendes, selbst als kleines Rädchen im Getriebe an den Fällen und Strategiebesprechungen beteiligt zu sein. Nach dem Chaos, von dem mein bisheriges Leben bestimmt gewesen war, fand ich Trost im Gesetz, in seinen Behörden, seiner Vernunft, seiner Ruhe und seinem ihm innewohnenden Edelmut.
Das größte Glück wurde mir beschert, nachdem ich meine Fähigkeiten in einer Sammelklage bewiesen hatte. Mein Chef, Tom Sidirov, ein legendärer Streithammel und ein noch besserer Mensch, befahl mir sozusagen, auf Kosten der Kanzlei aufs City College zu gehen und anschließend an der Fordham Law School Jura zu studieren.
Fast zehn Jahre Arbeit und Abendschulen und Tausende von Stunden in New Yorker U-Bahnen später hatte ich es geschafft. Ich war Anwältin geworden. Ich hatte die New Yorker Gerichtszulassung sogar gleich im ersten Anlauf bestanden.
Während der vergangenen dreieinhalb Jahre hatte meine Karriere ständig mehr Auftrieb bekommen. So schnell würde ich in der Kanzlei nicht zur Partnerin aufsteigen, doch ich bearbeitete bereits meine eigenen Fälle, hatte meine eigenen Mandanten und sogar meine eigene Sekretärin.
Meine harte Arbeit im Büro und als Mutter warf langsam ihre Früchte ab, dachte ich, als ich in diesem geschmackvoll eingerichteten Restaurant saß. Im Leben von Amerikanern war kein zweiter Akt vorgesehen, doch ich wollte es wenigstens probieren. Endlich begann ich, über Dinge
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