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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Elbe: »Nervt den Fluss nicht, legt euch nicht mit ihm an.« Also Schluss mit dem Gestrampel. Marit konzentriert sich: Arme durchziehen, atmen, Beinschlag, die Balance des Beckens halten, die Bewegungen müssen fließen. Je gleichmäßiger die kleine Bugwelle, die sie vor sich hertreibt, desto bereitwilliger trägt die Elbe sie wieder, um sie schließlich freizugeben.
    Sie ist ein ganzes Stück abgetrieben worden, aber froh über den festen Boden unter ihren Füßen, während sie am Ufer entlang zurückgeht.
    Wie schnell alles vorbei sein kann.
    Mit letzter Kraft sammelt Marit Kleid und Handtuch ein und sucht sich eine feinsandige Mulde im Strandhafer, wo sie sich lang hinstreckt, um wieder zu Atem zu kommen. Die Muskeln in ihren Armen zittern vor Anstrengung. Flussaufwärts lugt die Sonne über den Deich und bringt die Wassertropfen auf ihrer Haut zum Glitzern. Ein Frachter fährt zu schnell, das macht die Elbe, diesen böswilligen Morgenmuffel, endgültig munter: schäumende Brandung.
    Sie muss eingenickt sein. Das Bellen eines Hundes, dicht an ihrem Ohr, lässt Marit aufschrecken. Als sie die Augen öffnet, blickt sie direkt in das zerknautschte Gesicht einer Englischen Bulldogge und muss lachen.
    »Hey, was bist du denn für einer?«, flüstert sie und hält dem Hund die Hand hin, woraufhin der vorsichtig daran schnüffelt und sich schließlich zu einem Schwanzwedeln entschließt. Marit tätschelt den glatten, weichen Hals, ohne sich um den Sabberfaden zu kümmern, der daraufhin auf ihrem Arm landet. »Guter Junge.«
    »Sie ist ein Mädchen. Scarlett.« Die Stimme gehört Hark Jansen. Die Arme vor der Brust verschränkt, steht er auf der Düne und schaut auf Marit hinab. »Und du lässt am besten die Finger von ihr.«
    Marit zieht die Hand zurück. »Wie kommt so ein Vollidiot wie du zu einem so netten Hund?«, fragt sie.
    »Und wie kommt ein so nettes Mädel wie du zu einem so verkorksten Bruder, der rumläuft und seine Freundin abmurkst, wenn sie nicht spurt?«
    Anstatt zu antworten, tastet Marit nach ihrem Kleid, bereit, ihm das Feld zu überlassen. Was kann sie gegen jemanden wie Hark schon ausrichten?
    »Suchst du das hier?« Plötzlich hält er etwas Weißes in den Händen, ihr Kleid, er wedelt damit herum, für Scarlett eine Aufforderung zum Spielen, die Hündin stürzt auf ihn zu und springt bellend um ihn herum.
    »Gib her.«
    »Hol’s dir doch.«
    »Leck mich.«
    Es ist nur ein Kleidungsstück, nicht mehr das neueste, sie hat immer noch ihren Badeanzug und die Sandalen, bei den Imbisswagen wartet ihr Fahrrad auf sie. Marit überwindet ihren Stolz und überlässt dem Idioten seine Beute. Nichts wie weg hier.
    »Hey«, ruft Hark.
    Gegen ihren Willen lässt sie sich aufhalten. Das Kaninchen vor der Schlange. Hark Jansen lächelt. Mit bedächtigen Schritten kommt er auf sie zu, viel zu nah, er ist schwer, aber beweglich und bedrängt Marit aus purer Lust, sie zu schikanieren, wie er es weiß Gott wie viele Male zuvor mit Ansgar getan hat. Einfach nur, weil er es kann. Sie könnte durchdrehen, wenn sie daran denkt. Was sie am liebsten vergessen würde: Bis vor Kurzem war es ihr egal.
    »Weißt du eigentlich, wie leicht es wäre, dir jetzt den Schädel einzuhauen? Das Leben kann so schnell vorbei sein. Junge Mädchen werden heutzutage leicht zu Fischfutter.«
    Harks Atem riecht, als hätte der Anführer des Koma-Klubs den Tag mit einem Bier begonnen. Er hebt den rechten Arm, der Marit auf einmal ungeheuer sehnig und muskulös vorkommt mit dieser blau hervortretenden Ader, und sie zuckt zusammen, sieht in ihrer Fantasie einen schweren Gegenstand auf sich niedersausen, ein Kribbeln im Hinterkopf in Erwartung des Schmerzes. Es könnte derselbe schwere Gegenstand sein, der, laut Polizeibericht, Zoés Leben ein Ende setzte. Marit sieht einen Stein vor sich, verklebt mit dunklen Haaren und verkrustetem Blut. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden.
    Aber Hark hat keinen Stein, nur ihr Kleid, das er ihr jetzt entgegenschleudert. Obgleich es zerknittert ist und feucht vom Sabber des Hundes, streift sie es über, ohne zu zögern.
    »Mein Bruder ist kein Mörder, du blödes Arschloch«, sagt sie, bevor sie Hark stehen lässt. Als ob den das interessieren würde. Sie kann hören, wie er über sie lacht, und beschleunigt ihre Schritte. Der Typ ist doch völlig weich in der Birne, was bei dem Alkoholkonsum natürlich kein Wunder ist.
    Bei den Buden angekommen ist Marit völlig fertig, sie muss sich wohl oder übel eingestehen,

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