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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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im Sonnenlicht.
    »Kuck mal. Die ernten schon«, ruft sie und bricht damit den Bann.
    Jan legt ihr den Arm um die Schultern, sie macht sich automatisch etwas steif, lässt es aber geschehen. Der Bauer nickt ihnen zu. Sie winken.
    »Angenommen, Ansgar ist tatsächlich unschuldig«, beginnt Jan, kaum dass sie im Mini sitzen und die Fenster geöffnet haben.
    »Ist er.«
    »Dann läuft der Mörder frei herum. Ist doch logisch. Verstehst du: ein Mädchenmörder. Hier in unserem Dorf. Mit dem willst du dich nicht allen Ernstes anlegen! Bitte lass das sein. Ich habe Angst um dich.«
    Marit betrachtet sich im Rückspiegel – die Haare zerzaust, die Haut um die Mundwinkel zerkratzt von Jans Bartstoppeln – und startet den Motor.
    Der Nachmittag mit Jan war nicht einfach, aber zu Hause ist es richtig schlimm. Mit ihrer Mutter will sie nicht reden. Mit ihrem Vater will sie nicht reden. So sehr haben sie beide Marit enttäuscht.
    Irgendwann wird sie ihre Mutter zur Rede stellen wegen damals, doch das hat Zeit, denn, was den Mord angeht, spielt es keine Rolle, ob ihr Bruder und sie denselben Erzeuger haben. Davon ist sie überzeugt.
    Lediglich eine Frage duldet keinen Aufschub: »Wie geht es Ansgar?«
    Ihre Mutter bemüht sich, Zuversicht auszustrahlen, wirkt aber angespannt: »So weit ganz gut. Er hat einen erstaunlich gefassten Eindruck auf mich gemacht.«
    »War er verletzt?«
    »Nein, aber ziemlich müde.«
    »Wann kann ich zu ihm?«
    »Im Moment sind nur die Eltern zugelassen. Einzeln, einmal pro Woche und nur für eine halbe Stunde. Und sein Anwalt natürlich.«
    Marits Vater schaltet den Fernseher ein, und es wird laut im stillen Wohnzimmer. Der enervierende Jingle, der im Privatfernsehen die Boulevardnachrichten ankündigt.
    »Prima, dann kann ich ja für Papi hingehen, während der die Reste seines guten Rufs von der Straße abkratzt und auf Hochglanz poliert«, sagt Marit.
    »Marit!«
    »So nicht«, ermahnt sie ihr Vater, ihre Mutter spielt Echo: »So nicht.«
    »Schon gar nicht in dem Ton«, sagt ihr Vater.
    Wenigstens in ihrer Empörung über das neuerdings so aufsässige Verhalten der guten Tochter sind die zwei sich noch einig.
    Der Fernsehbericht über Ansgars Verhaftung ist nur kurz, eine Minute höchstens. Dafür existiert ein Foto: Marits Bruder, wie er von zwei Polizisten abgeführt wird. Jemand hat die Aufnahme mit dem Handy gemacht und sie dem Sender verkauft. Für die Leute ist das alles nichts weiter als Unterhaltung.
    Es ist seltsam, aber in dieser Nacht schläft Marit ausnahmsweise gut, ein tiefer, traumloser Schlaf, der sich anfühlt wie eine Umarmung. Schon vor Mitternacht ist es im Haus vollkommen ruhig, kein Geschrei, kein Gerenne, als bräuchten auch die Eltern eine Erholungspause. Von ferne ist das Dröhnen der Mähdrescher zu hören, doch das wirkt eher beruhigend als störend.
    Und so nimmt sie das Bersten von Glas im Erdgeschoss zwar unterbewusst wahr, wacht jedoch nicht richtig auf. Erst als die zweite Fensterscheibe eingeworfen wird, nämlich die in der Küche direkt unter ihrem Schlafzimmer, schreckt sie auf. Da hört sie schon die Stimmen der Eltern und ihre hektischen Schritte auf dem Flur.
    Unten in der Diele saust ihr Vater in Boxershorts und T-Shirt an ihr vorbei aus dem Haus. Ihre Mutter ruft ihr vom Wohnzimmer aus zu, sie solle nicht barfuß herumlaufen.
    Im Wohnzimmer liegt inmitten von Scherben ein faustgroßer Feldstein auf dem Hartholzparkett, im Panoramafenster klafft ein Loch in derselben Größe, wie Blitze breiten sich davon ausgehend gezackte Risse über das Glas aus. In der Küche das gleiche Bild, hier sind das Wurfgeschoss und die meisten Scherben in der Spüle gelandet.
    »Sieh dir den Stein an«, sagt Marit tonlos zu ihrer Mutter, denn sie hat etwas daran entdeckt, etwas rot Schimmerndes.«
    Ihre Mutter hält die Hand vor den Mund. »Oh Gott«, sagt sie, »ist das etwa …«
    »Blut?«, vollendet Marit, die Stimme kaum ein Flüstern.
    Der Stein im Wohnzimmer weist dieselben Spuren auf. Sie bringen es nicht fertig, genauer hinzusehen, können sich, erstarrt vor Ekel und Fassungslosigkeit, überhaupt nicht mehr rühren, bis Marits Vater von der Verfolgung der Täter zurückkehrt, allein. Er schnauft.
    »Jugendliche«, keucht er. »Den einen hätte ich fast noch erwischt.«
    »Hast du jemanden erkannt?«, fragt Marits Mutter.
    Kopfschütteln. »Aber das war ein junger Bursche, so fit wie der war.« Immer noch außer Atem tappt er in die Küche, barfuß, obwohl seine Frau

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