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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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ihn ebenfalls auffordert, sich Schuhe anzuziehen, und holt sich ein Bier, das er in großen Schlucken trinkt.
    »Ich frag mich, wie der aufs Grundstück gekommen ist. Die Alarmanlage war doch an. Oder? Und wieso waren die Rollläden nicht runtergelassen?«, will er von Marits Mutter wissen. Sein Tonfall, als wäre er ihr Vorgesetzter.
    Ein kurzes Wortgefecht darüber, wer geschlampt hat, versickert ins Leere, während durch das Loch in der Scheibe ein warmer Lufthauch ins Wohnzimmer weht, zu schwach, um die Vorhänge zu bewegen, aber mit dem Duft nach Meersalz geschwängert. Auflaufendes Wasser in der Elbe.
    Schließlich deutet Marit auf den Stein. »Was ist das, Papa?«
    Er schaut hin, zieht dieselben Schlüsse wie zuvor Marit und ihre Mutter, seiner Miene nach zu urteilen. Auch er wirkt so geschockt, als wolle er am liebsten davonrennen, aber kneifen kommt für ihn natürlich nicht infrage, als Mann im Haus. Also geht er hin, nimmt den Stein in die Hand, dreht ihn dicht vorm Gesicht hin und her, riecht daran – lächelt.
    »Und?«
    »Ketchup.«
    Aufatmen bei ihnen allen, sie sehen einander an, müssten fast lachen.
    »Wir sollten trotzdem die Polizei rufen. Das ist ein Anschlag«, sagt Marits Vater.
    »Aber wer tut so was?«, fragt ihre Mutter.
    »Jugendliche«, wiederholt er, und genau dasselbe sagen eine halbe Stunde später auch die Polizisten. Es ist mitten in der Nacht, die beiden diensthabenden Beamten müssen sich das Gähnen verkneifen und wirken gleichgültig, fast schon genervt, als wäre es unangemessen, wegen so einer Lappalie den Notruf zu wählen. Trotzdem nehmen sie die Steine mit. Für die KTU , wie sie sagen, und Marit muss ihrer Mutter erläutern, dass diese Abkürzung für »kriminaltechnische Untersuchung« steht.
    Auf Drängen von Marits Vater sehen sie sich noch den Garten an. Ein Beamter entdeckt im Rosenbeet Fußabdrücke, die von einem Turnschuh stammen, »mit dem heute jeder Zweite rumläuft, zumal in der Größe«, glaubt er zu wissen.
    Zu guter Letzt finden sich doch noch Blutspuren auf dem Parkett. Aber die stammen von Winfried Pauli, weil er nicht auf seine Frau gehört hat und barfuß durch die Scherben gelaufen ist, wofür er jetzt mit einem tiefen Schnitt in der linken Fußsohle büßen muss. Vor lauter Aufregung hat er den Schmerz nicht gespürt. Dafür jammert er umso mehr, nachdem die Polizei gegangen ist.

Kunst
    Weißt du noch, wie du den Wolf geschnitzt hast? Da warst du ganz bei dir. Ich verstehe nicht viel von Kunst, aber wenn du so weitergemacht hättest, wärst du bestimmt reich geworden und mit Anerkennung überschüttet worden. Zuallererst hätte jede Kunstakademie der Welt dich mit Kusshand aufgenommen. Was ich nie gecheckt habe: Warum hattest du diesen Tick, aus jedem einen Künstler machen zu wollen, sogar aus mir? Und wieso hast du dich ständig mit irgendwelchen talentfreien Idioten aus der Szene umgeben, die dir nie hätten das Wasser reichen können? Anstatt deine eigenen Projekte voranzutreiben.
    T atort Schwimmbad. Ein weiß gekacheltes Becken. Kein Wasser, die Leiche liegt am Grund in einer Blutlache, die Gliedmaßen verdreht, die hellblauen Augen starr und weit geöffnet. Sie trägt lediglich Unterwäsche: weißes Baumwollhemd, knapper schwarzer Slip. Die langen schwarzen Haare bilden einen Fächer um ihren Kopf, eine Strähne liegt quer über dem schönen jungen Gesicht, dazu diese blasse Haut, weiß wie die Kacheln, zumindest dort, wo kein Blut klebt. Die Tote ist Zoé, kein Zweifel.
    »Aus dem Internet?«, fragt Marit und denkt mit Grausen zunächst an das Naheliegende: Zoés Mörder hat sein Opfer fotografiert.
    Helene nickt, lässt das Bild mit einem Mausklick verschwinden und öffnet ein weiteres. Exakt dasselbe Motiv, mit dem Unterschied, dass die Tote diesmal auf einem verschneiten, zugefrorenen See drapiert wurde, im Hintergrund am Ufer ein kahler Baum, dessen Zweige sich schwarz gegen den weißen Winterhimmel abzeichnen. Und dass sie diesmal keinen Slip trägt.
    »Oh mein Gott«, sagt Marit langsam, betont jedes Wort. »Was sind das für Fotos?«
    Helene grinst abfällig. »Kunst. Im Netz gibt es so eine Community für Nachwuchskünstler, da stellen alle möglichen Leute ihre Arbeiten vor und bewerten sich gegenseitig. Um mich anmelden zu können, brauchte ich eigenes Material und hab einfach ein paarmal das Tohuwabohu auf meinem Schreibtisch geknipst. Lässig, oder? Hab sogar schon ein paar Kommentare, leider ziemlich vernichtend.«
    Marit hört

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