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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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verlieren, weshalb sie bald gar nichts mehr sagt, während er auf sie einredet, sie beschwört, keinen »Scheiß zu bauen«. Ihr Blick saugt sich an seinen Gesten fest: schnelle energiegeladene Bewegungen, als würde er die Luft ohrfeigen. Normalerweise gestikuliert er kaum. Es könnte lustig sein, wenn ihr zum Lachen zumute wäre.
    Marit fährt an die Seite, stellt den Motor ab und lässt den Kopf auf das Lenkrad sinken. So viel ist sicher: Hilfe hat sie von Jan in dieser Sache nicht zu erwarten.
    »Ich kann nicht mehr«, sagt sie, ohne aufzublicken.
    »Dann hör auf mit dem Quatsch«, antwortet er kalt. »Lass die Bullen ihren Job machen, die können das, das sind doch keine Vollidioten.«
    »Eben doch. Die haben Ansgar eingesperrt.«
    »Daran ist er selbst schuld, er hätte auf keinen Fall weglaufen dürfen«, sagt Jan.
    Dann fällt ihm auch nichts mehr ein. Ein paar Minuten ist es still, abgesehen vom Lärm einzelner vorbeibrausender Autos, deren Fahrtwind an dem Kleinwagen zerrt. Da die Klimaanlage bei ausgeschaltetem Motor nicht läuft, kriecht allmählich die Juliglut herein.
    Marit rührt sich nicht. Jan will ihr über den Rücken streichen, sie spürt bereits die Wärme seiner Hand, bevor er sie aus unerfindlichen Gründen wieder zurückzieht.
    »Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragt er.
    Anstatt zu antworten, steigt Marit aus, rammt mit dem Schädel gegen eine Mauer aus Hitze, knallt davon unbeirrt die Autotür hinter sich zu, stapft drauflos – nichts wie weg, raus aus dem Auto, weg von Jan, der sie plötzlich nicht mehr versteht.
    »Wenn du denkst, dass ich dir nachlaufe, hast du dich geirrt«, brüllt er ihr durch das geöffnete Autofenster hinterher.
    »Du kannst mich mal.«
    Natürlich tut er es trotzdem.
    Fangen spielen im Juli. Dabei kann man auf Dauer nicht ernst bleiben. Ein einfacher Ausweg. Die Sonne, der staubige Boden, die Insekten, die ihr in den Mund fliegen. Marit macht es ihm nicht leicht, rennt, so schnell sie kann, schlägt einen Haken in ein dichtes Kornfeld, in das die Reifen von Traktoren eine Schneise geschlagen haben. Schließlich landen sie in einem winzigen Wäldchen, eine schattige grüne Insel, inmitten einem Meer goldgelber Wintergerste. Sie sind beide völlig verschwitzt.
    »Schön hier«, sagt Jan, ohne den Blick von Marit zu wenden, er schaut auf ihr rosafarbenes Poloshirt, fixiert den dunklen, schweißnassen Fleck zwischen ihren Brüsten.
    »Schön kühl.«
    »Und abgelegen. Hier stört uns niemand.«
    Als er sie küsst, ist sie bereit, alles andere zu vergessen. Sie beide in einem Vakuum aus flaschengrünem Schummerlicht, das durch die Baumkronen dringt. Sein Gesicht gesprenkelt mit den Schatten der Blätter. Liebe. Nähe. Alles, was zählt.
    Er vergräbt seinen Kopf in ihrer Halsbeuge, zwickt die Haut mit den Schneidezähnen, greift ihr etwas zu respektlos an den Hintern, bevor er sich an den Knöpfen ihrer abgeschnittenen Jeans zu schaffen macht. Marit passt das nicht, ihr geht es zu schnell. Doch Jan ist nicht zu bremsen, nicht mit den Händen, und sie zögert zu lange mit Worten, will nicht gleich wieder zickig sein, bis seine Berührungen sich unversehens in Maßregelungen verwandeln, er nimmt sich das Recht, den Streit von vorhin mit anderen Mitteln weiterzuführen. Seine Umarmung zwingt sie zu Boden, sie riecht das halb verrottete Laub vom letzten Jahr, ein erdiger, beunruhigender Geruch nach Vergänglichkeit, und endlich macht sie den Mund auf: »Lass mich los.«
    Er hört sie nicht sofort, sie muss sich wiederholen, lauter, zorniger: »Du sollst loslassen.«
    Da zuckt er zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen. »Entschuldigung.«
    Minuten verstreichen. Auf einem Ast in der Nähe hockt ein Eichhörnchen und beobachtet, wie Marit ihre Kleider in Ordnung bringt – Jeans, Poloshirt, BH – und ihren Freund keines Blickes würdigt.
    »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagt Jan, nachdem auch er seine Levis wieder zugeknöpft hat.
    Na ja, wehgetan hat er ihr nicht, das wäre übertrieben. Aber es hat auch keinen Spaß gemacht. Unnütz, so viel Wind darum zu machen.
    »Lass uns zurück zum Auto gehen.«
    Den ganzen Rückweg bettelt er um Verständnis. Marit hat ihm eigentlich schon verziehen, schließlich ist ja nicht wirklich etwas passiert, ihr ist das Ganze nur grässlich peinlich, und dieses Gefühl von Peinlichkeit lässt sie schweigen.
    Auf dem Feldweg kommt ihnen ein Mähdrescher entgegen, ein dröhnendes Ungeheuer, der Stahl des Schneidwerks funkelt rot

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