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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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kurz nacheinander zwei Eingebungen: »Scharig« könnte für Grischa stehen, es sind dieselben Buchstaben in anderer Kombination. Grischa, der Typ von der Beerdigung: lange schwarze Haare, Stirnpiercing und laut Ansgar »irgendwie gestört«. Marit teilt diese Einschätzung. Sie ist zudem überzeugt, bereits ein weiteres Werk dieses Künstlers zu kennen: das enthauptete Schaf in Zoés Zimmer. Schwarz, Rot, Weiß. Es ist dieselbe Bildsprache, provokativ, gewalttätig und kalt.
    Hat sie den Mörder gefunden – so einfach? Offenbar war Zoé mit dem Kerl befreundet oder hat zumindest seine Arbeiten bewundert.
    Ihr Handy piept zweimal, vermeldet die Ankunft einer SMS . Von Jan. Er muss sich wegen der Sache gestern im Wäldchen wirklich elend fühlen, sonst würde er nicht vorschlagen, sich den Abend freizunehmen, einfach so spontan, damit sie etwas gemeinsam unternehmen können. Im Innenhof der Elbfestung in der Nähe der Kreisstadt wird im Sommer hin und wieder Freiluftkino geboten, heute Abend läuft »From Dusk Till Dawn«. Zu blutig für Marits Geschmack. Außerdem hat ausnahmsweise mal sie etwas anderes vor. Denn sie muss schnellstmöglich diesen Grischa finden und hat keinen Schimmer, wie lange sie dafür brauchen wird.
    In Gedanken bastelt sie gerade an einer Absage, die Jan nicht vor den Kopf stößt, da bemerkt sie, dass Elbnixe über das Intranet der Künstler-Community eine Nachricht erhalten hat. Das ging aber schnell. Ein gewisser Weeeerner 4 ever schreibt: »Moin, Elbnixe, neu hier? Hab eben gesehen, dass du auf meiner Seite warst, und gleich mal deine Bilder gecheckt. Nicht schlecht, Herr Specht;  Würde mich über einen Kommentar von dir zu meinen Zeichnungen freuen  . Freunde?  «
    Die gefühlt dreißig Smileys blinken in verschiedenen Farben und hüpfen abwechselnd auf und ab. Marit schüttelt den Kopf. Was ist das denn für ein Schwachkopf? Als Profilbild verwendet er eine potthässliche Comicfigur, die ihr bekannt vorkommt. Seine Art passt überhaupt nicht zum gängigen Sprachjargon des eher auf elitär getrimmten Netzwerks. Kein Wunder, dass der nur sieben Freunde hat anstatt dreihundert wie scharig 90 . Der allerdings einer von ihnen ist, wie Marit feststellt. Eigentlich logisch: Über dessen Profil muss sie auf Weeeerner 4 ever gestoßen sein. Sie fasst sich an die verschwitzte Stirn. Wie dumm von ihr, nicht zu berücksichtigen, dass die Besitzer der jeweiligen Accounts ihren Besuch nachvollziehen können. Auf einen virtuellen Flirt war Elbnixe eigentlich nicht aus.
    Ihr Handy klingelt. Jan. Mit einem Seufzer nimmt Marit das Gespräch entgegen.
    »Hey.«
    »Hey.«
    Pause. Im Hintergrund der Signalton eines Gabelstaplers, der rückwärtsfährt, das Jaulen des Elektromotors. Das klingt nach Eisfabrik, Dienst im Lager.
    »Wollte mal hören, was du so machst.«
    »Nichts Besonderes. Und du?«
    »Schuften, damit Familie Pauli noch reicher wird.«
    »Sehr witzig.«
    Üblicherweise könnte sie über so einen Spruch lachen. Üblicherweise würde er darauf verzichten, er ist nicht neidisch auf ihren Reichtum, das hat er nicht nötig. Nach dem Stress gestern ist die Stimmung zwischen ihnen ziemlich im Eimer. Ein Freiluft-Kinoabend zu zweit wäre da vermutlich eine kluge Strategie, die laue Julinacht, sie zusammen auf einer Decke, Chips, vielleicht ein, zwei Prosecco, Jever für ihn und dieser abgefahrene Vampirfilm, der bekanntlich so gruselig ist, dass man sich einfach ankuscheln muss.
    »Ich hatte dir eine SMS geschrieben.«
    »Echt? Hab ich gar nicht gehört«, lügt Marit und merkt, wie sie rot wird. »Was stand denn drin?«
    Er trägt sein Anliegen vor, worauf Marits Oma erneut für eine Ausrede herhalten muss. Wenig überzeugend, da, wie Jan einwandfrei schlussfolgert, ein Besuch bei Großeltern selten bis in den Abend dauert.
    »Sag mal, du bist doch nicht immer noch von dieser fixen Idee besessen, Zoés Mörder zu jagen?«
    Marit gibt keine Antwort.
    »Ich möchte das nicht. Ich dachte, das hätten wir gestern geklärt.«
    »Ich hör mich nur mal um«, verspricht sie. »Nichts Gefährliches. Zum Kino heute Abend schaffe ich es bestimmt.«
    Jans Schweigen legt sich wie ein Bleigewicht auf ihre Brust und offenbar auch auf seine, denn sie hört ihn schnell und angestrengt atmen.
    »Bitte hör auf damit«, presst er hervor. »Oder, wenn du halt nicht zur Vernunft kommen kannst, dann lass uns wenigstens zusammen an die Sache rangehen. Okay?«
    Ja! Endlich. Marit ballt die

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