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Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
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aber welche davon wurde ihr zum Verhängnis? Die Tatsache, dass es ein zweites Opfer gibt, verleiht dem Verbrechen eine völlig neue Dimension.
    Die Feuerwehrmänner, die unentwegt die Decke halten müssen, werden von anderen abgelöst.
    »Du kannst ja fahren, ich bleibe hier«, sagt Helene. »Vielleicht geben die Bullen ja noch ein Statement ab.«
    Bereit, ihrem Unbehagen einmal mehr die Stirn zu bieten, hält Marit daraufhin ebenfalls die Stellung.
    Es dauert. Die Sanitäter vom Roten Kreuz haben nichts zu tun und tippen SMS in ihre Handys, während drei Taucher entlang der Kaimauer den Boden absuchen, als hätten sie dort etwas verloren. Schließlich fährt ein Leichenwagen vor und wird von der Polizei durch die Absperrung gelotst. Ringsum Schweigen. Einer der Schaulustigen, ein Mann, der pausenlos mit seinem Handy filmt, vermutlich, um später alles ins Netz zu stellen, bekreuzigt sich. Ein Tourist, niemand aus der Gegend. Die Bergung einer Leiche als Bonbon fürs eigene Urlaubsvideo.
    Das hier gleicht einer langsamen Folter.
    »Bist du sicher, dass Mimi Perlan auf der Suche nach dem Tatort war?«, flüstert Marit.
    Helene nickt.
    »Warum wollte sie dich nicht dabeihaben?«
    »Keine Ahnung. Sie hat mir auch nichts darüber erzählt, was sie schon rausgefunden hatte. Vielleicht wollte sie die Story für sich allein.«
    »Du glaubst gar nicht, wie froh ich darüber bin«, sagt Marit und rechnet damit, dass Helene sie herzlos findet, hat sie doch Mimi Perlan etwas besser gekannt. Aber die Freundin nickt ergeben.
    Die Zeit bis zur Abfahrt des Leichenwagens verstreicht quälend langsam, danach haben es alle eilig: Rotes Kreuz, Feuerwehr und DLRG rücken als Erste ab, danach die Taucher in ihrem Mannschaftswagen, anschließend die Spurensicherung. Zuletzt bleiben nur noch die Kripoleute und die Mitarbeiter der Kranfirma mit ihrem roten Koloss zurück, die eigentlichen Helden der Bergungsaktion. Keine offizielle Stellungnahme. Das Fernsehteam packt ein.
    »Das war’s dann wohl«, sagt Marit, aber Helene besteht auf einer Unterhaltung mit Birte Varnhorn. Sie erwischen die Hauptkommissarin, als sie ohne den Kollegen in ihren Audi steigen will. Sie wirkt ausgelaugt und nicht gerade erfreut, sie zu sehen. Marit bemerkt, dass ihre Cargohose am Knie aufgescheuert ist, als wäre sie auf dem Boden herumgekrochen.
    »Ich möchte etwas zu Protokoll geben«, erklärt Helene gewichtig.
    »Ach ja?«
    »Mimi Perlan war wegen des Mordes an Zoé Berger hier. Sie hat eigene Recherchen zu dem Fall angestellt. Wie ich zufällig weiß, war sie gestern Abend auf der Suche nach dem Tatort entlang der Oste unterwegs.«
    »Womit die Unschuld meines Bruders bewiesen wäre«, fügt Marit hinzu.
    »Inwiefern?«
    »Na, das ist doch wohl logisch. Er sitzt im Knast, während der echte Täter frei rumläuft und zu verhindern versucht, dass irgendjemand die Wahrheit ans Licht bringt. Wenn Sie nicht die ganze Zeit so einseitig ermittelt hätten, könnte Mimi Perlan noch leben.«
    Falls der Polizistin ein derart schwerwiegender Vorwurf zu Herzen geht, kann sie es gut verbergen. »Frau Perlan könnte noch leben, wenn sie eine bessere Autofahrerin gewesen wäre.«
    »Wollen Sie damit sagen, es gab kein zweites Fahrzeug?«, fragt Helene.
    »Ich gebe hier kein Interview, dass das klar ist. Wenn Sie eine Aussage zu machen haben, tun Sie das, ansonsten entschuldigen Sie mich. Ich möchte früh Feierabend machen.«
    »Wie können Sie nach dieser Sache weiterhin meinen Bruder verdächtigen?«, fragt Marit, der die Halsstarrigkeit der Beamtin Tränen der Wut in die Augen treibt.
    »Er hat nun mal das stärkste Motiv: nämlich Eifersucht. Zoé war seine erste große Liebe und sie war ihm wiederholt untreu, wie Sie ja inzwischen selbst herausgefunden haben. Angenommen, Frau Perlan hätte tatsächlich den Tatort entdeckt. Niemand weiß, was sie dort vorgefunden hat, vielleicht ja auch Beweise, die Ihren Bruder belasten. Dann wären Sie diejenige, die ein großes Interesse daran hätte, die arme Frau von der Straße zu drängen. Dass Sie skrupellos genug sind, Ihren Mini als Waffe einzusetzen, haben Sie ja bereits im Hamburger Hafen eindrucksvoll unter Beweis gestellt.«
    »Du hast was?«, fragt Helene entgeistert.
    Marit macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, vergiss es.«
    »Wo waren Sie denn gestern Abend?«
    »Das fragen Sie nicht im Ernst?«, entgegnet Marit und kann nicht verhindern, dass sich ihr Gesicht zu einem dümmlichen Grinsen verzieht.
    Die
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