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Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
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und versucht dabei, cool auszusehen. Einstweilen pflanzt sich seine Tochter erneut an ihre Seite. »Bist du eigentlich allein gekommen?«
    »Ja.«
    »Und wo ist Janni?«
    »Er heißt Jan. Und ich weiß nicht, wo er ist.«
    »Oh, oh … Streit?«
    Marit zuckt mit den Schultern. Was soll sie auch antworten? Sie findet die Frage ärgerlich, da sie keine Gelegenheit haben, richtig miteinander zu reden. Franka will doch nur hören, dass im Großen und Ganzen alles in Butter ist, damit sie guten Gewissens nach Australien aufbrechen kann.
    Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, drückt Franka sie kurz an sich. »Ach, Süße, das wird wieder. Weißt du, was? Ich habe eine Idee: Fahr mich morgen früh zum Flughafen, dann haben wir noch etwas Zeit für uns. Meine Eltern fertige ich zu Hause ab, Mama ist eh total durch den Wind und würde unter Garantie peinlich auffallen. Abgemacht? Abgemacht. Komm, lass uns anstoßen. Hey, Paps, gibt’s hier eigentlich noch Champagner?«
    Frankas Hände flattern hierhin und dorthin. Ihre beste Freundin. Aufgeregt wie am Tag der Einschulung. Eine unmögliche Person.
    Sie hätte nicht herkommen sollen, denkt Marit, als eine Welle von Abschiedsschmerz sich aus dem Nichts auftürmt und über ihr zusammenbricht. Um ein Haar wäre sie versehentlich weggeblieben, weil sie die Party überhaupt nicht mehr auf dem Zettel hatte, aber ihre Mutter denkt ja immer an alles. Sie beschließt, zu gehen, sobald sie die Arie mit den Abschiedsgeschenken über die Bühne gebracht haben.
    Frankas Vater reicht ihnen zwei Gläser Champagner und sie prosten einander zu.
    »Marit, mach’s gut.«
    »Mach’s besser.«
    Jetzt bloß keine Tränen.
    »Hey, wollen wir ein paar Blödmänner in den Pool schubsen?«, fragt Franka und zieht die Nase hoch. »Da drüben steht Helene, die hilft uns bestimmt.«
    »Prima Idee.«
    Als Marit aufwacht, ist das Fenster mit Regentropfen gesprenkelt. Es steht auf Kipp und durch den Schlitz strömt kühle Luft ins Zimmer. Wann ist das denn passiert? Sie hat kaum fünf Stunden geschlafen und zuvor auf der Party war von einem bevorstehenden Wetterumschwung nichts zu spüren: Windstille, fünfundzwanzig Grad bis weit nach Mitternacht. Der Sonnenuntergang fällt ihr ein, tiefrot und dramatisch, später der atemberaubende Vollmond über dem Pool. Die Anzeichen waren da, sie hat sie bloß übersehen.
    Marit steht auf und stellt sich ans Fenster. Bleierne Wolken, die fast bis zum Boden hängen, das Licht trübe wie an einem Wintertag. Die Straße glänzt nass, ebenso die Büsche im Vorgarten, der Rasen. Das Plätschern des Wassers in der Dachrinne. Kein Zweifel, die Hitzewelle ist vorbei, hat sich einfach so davongestohlen ohne großes Finale, kein Gewitter, kein Sturm, nichts, einfach nur Regen. Sie kann es kaum glauben. Was für ein wunderbarer, vertrauter, normaler Anblick, dieses norddeutsche Grau. Die einzigen Farbtupfer sind die Container eines Frachters, die über die Deichkrone hinweg zu sehen sind, da die Elbe scheinbar ebenfalls reichlich Wasser führt, genau wie der Himmel. Ein nasser Tag im nassen Dreieck. Jetzt muss nur noch Ansgar zurückkommen, dann ist es, als hätte es diesen fieberkranken Juli nie gegeben. Alles wird seinen gewohnten Lauf nehmen. Nur ohne Zoé. Und in Berlin ohne Mimi Perlan. Marit seufzt und gesteht sich ein, dass nichts mehr so sein wird wie vorher. Regen kann keine Wunder bewirken, zumindest keine dieser Art. Dennoch ist er schön.
    Voller Elan schlüpft Marit unter die Dusche und zieht sich an. Endlich mal wieder ein Pulli.
    Sie hat ihren Auftrag, Franka zum Flughafen zu bringen, nicht vergessen und behält die Uhr im Auge. Für einen Kaffee ist noch Zeit.
    In der Küche trifft sie zu ihrer Überraschung auf den Pastor, der allerdings im Begriff ist, sich zu verabschieden. Den Resten auf dem Tisch nach zu schließen, hat er sich von Marits Mutter mit einem deftigen Frühstück verwöhnen lassen, inklusive Rühreier mit Krabben.
    »Was wollte der denn so früh schon hier?«, fragt Marit, nachdem er gegangen ist. Nicht dass der Seelsorger ein seltener Gast bei ihnen wäre, schließlich ist Marits Mutter ein aktives Mitglied des Kirchenvorstands, doch normalerweise taucht er nachmittags auf.
    »Er macht sich Sorgen um Jans Mutter.«
    »Wieso?«
    »Weil sie seit Wochen nicht zum Gottesdienst kommt. Was für sie durchaus ungewöhnlich ist.«
    »Davon weiß ich ja gar nichts.«
    »Na, woran das wohl liegt?«, entgegnet ihre Mutter mit gutmütigem Spott. Sie hat
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