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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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Kleidungsstücken und einem Handtuch, dann geht er ins Badezimmer zurück.
    Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass es Dad Spaß macht.
    Mir nicht. Und Mom auch nicht, die in der Küche ist und putzt.
    Ich frage mich, was der Junge – was Pete – wohl von der ganzen Sache hält.

NACHHER
    Selbst sauber sieht der Junge noch immer schlimm aus. Er hat überall Kratzer und Narben, und das blaue Auge, das ich ihm geschlagen habe, leuchtet bereits in einer üblen Mischung aus Grün-, Blau- und Lilatönen. Er lächelt mich an, wodurch er nur noch hässlicher aussieht und sich mein Herz schuldbewusst zusammenkrampft. Wie konnte ich jemanden schlagen, der schon so fertig war? So erbärmlich?
    Dad inspiziert Petes Verletzungen, alte und neue. Seine Rippen sind jetzt auch bandagiert, so gut es Dad eben konnte. »Ich glaube, das mindestens eine von ihnen gebrochen ist«, sagt Dad, und ich versuche, nicht das Gesicht zu verziehen. »Pete hat einiges durchgemacht.«
    Ohne Scherz. Wenn wir ihn auf die Farm mitnehmen, wird es noch viel härter. Aber ein Teil von mir will, dass er stirbt. Ich will mein Leben zurück. Ich will, dass Pete seines im Austausch dafür gibt. Er hat Zach umgebracht; er verdient, was die Oldies ihm verpassen.
    Dad ist am Telefon und versucht, ein Auto zu leihen. Mom reicht dem Jungen ein Eispack. Ich lehne mich gegen den Kühlschrank und sehe zu.
    »Kalt«, sagt er und lässt das Eispack fallen.
    Sie hebt es auf. »Das ist für dein Auge«, erklärt sie ihm.
    »Mein Auge?«, fragt er. Er sitzt am Tisch unter den Fahrrädern, wo er praktisch alles Essbare vertilgt hat, was wir haben, einschließlich vier Schalen Cornflakes. Er hat sich auf das Essen gestürzt, schlimmer, als ich es je getan habe. Hat jeden Teller voll zu sich hergezogen und sich darüber gebeugt, für den Fall, dass wir unsere Meinung
ändern und es ihm wieder wegnehmen. Ich muss immer daran denken, dass es vielleicht seine letzte Mahlzeit ist.
    Er schaut mich fragend an.
    »Ja«, erkläre ich ihm. »Das lindert die Schwellung.«
    Er lässt sich von Mom das Eispack aufs Auge legen.
    »Gibt’s noch mehr zu essen?«, fragt er.
    Mom füllt noch eine Schüssel mit Cornflakes und kippt die letzten Tropfen Milch darauf. Er stürzt sich darauf. Mit der einen Hand hält er sich das Eispack aufs Auge und mit der anderen löffelt er Cornflakes in seinen Mund.
    Der Junge ist noch dünner, als ich dachte. Dads Klamotten hängen an ihm, als wäre er nur Haut und Knochen. Er ist auch jünger. Sieht eher aus wie zwölf als wie vierzehn. Das könnte auch erklären, warum er so dumm ist. Oder es liegt daran, dass er so viel geschlagen wurde. Oder am Nahrungsmangel. Hirnschaden oder Mangelernährung oder beides. Mom fragt ihn, seit wann er nichts mehr gegessen hat. Er zuckt die Schultern.
    Sie schüttelt den Kopf und schnalzt missbilligend mit der Zunge. Einen Augenblick lang hört sie sich an wie Großmutter, aber das sage ich ihr nicht.
    »Bist du sicher, dass du Zachary umgebracht hast?«, fragt sie und setzt sich ihm gegenüber an den Tisch und lächelt ihn herzlich an.
    Der Junge hält kurz im Essen inne und nickt. »War ich«, sagt er beinahe fröhlich. Ein kleines Stückchen Cornflakes fliegt aus seinem Mund.
    Mom wischt sich verstohlen das Cornflakes-Stückchen von der Wange. Ich merke, dass sie Schwierigkeiten hat, das alles zu verstehen. »Wo bist du geboren, Pete?«
    »Weiß nich.«

    »Woher stammen deine Eltern?«
    »Weiß nich.«
    »Was ist mit ihnen?«
    Er zuckt die Schultern.
    Mom seufzt. »Warum bist du nicht in einem Waisenhaus oder bei einer Pflegefamilie?«
    »Weiß nich.«
    »Lebst du auf der Straße?«
    »Auch in Parks. Auf Bänken. Mauern. Hab im Rinnstein geschlafen. Ich kann überall schlafen.« Er klingt stolz auf seine Schlafkünste.
    » Mon dieu .Weiß irgendjemand, wie du lebst?«
    Er blickt auf. Die Cornflakes sind alle. »Wie meinst du das?«
    »Hast du irgendwelche Freunde? Oder jemanden, der sich um dich kümmert?«
    »Nee. Nur ich.« Er ist nicht traurig oder wütend deswegen. Es ist einfach so, Punkt.
    »Ich kann nicht glauben, dass du so lebst!«, sagt Mom und ihre Stimme wird lauter. Sie ist ganz aufgelöst seinetwegen. »So ganz ohne Hilfe oder Unterstützung? Pete, das ist ja schlimm.«
    Der Junge zuckt die Schultern.
    Mom nimmt seinen Teller, zieht den Kopf ein, um den Fahrrädern auszuweichen und wäscht ihn in der Spüle ab. Ihre Augen sind gerötet.
    »Wann fahren wir auf die Farm?«, fragt

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