Luegst du noch oder liebst du schon Roman
dass aus Ihrem neuen Manuskript leider deutlich herauszulesen ist, wie wenig Sie Ihre Zielgruppe und das Thema ernst nehmen.«
Jetzt werde ich aber wirklich sauer! Wie kommt diese - zugegeben äußerst attraktive - Frau dazu, sich hier so aufzuspielen? Sie tut ja gerade so, als wäre sie die neue Cheflektorin für den Bereich Psychologie und Partnerschaft bei Rannenberger & Gruber.
Simon Gruber ist mittlerweile aufgestanden und steht mit dem Rücken zu uns am Fenster seines geräumigen Büros mit Elbblick. Der Verlag ist vor einem knappen Jahr in die Hafencity umgezogen und bemüht sich nun, ebenso wie die anderen dort ansässigen Unternehmen und die dort wohnenden Privatleute, den Eindruck zu erwecken, es sei ein Sechser im Lotto, in diesem Teil der Stadt zu leben und zu arbeiten. Ich persönlich halte diesen architektonischen Einheitsbrei für vollkommen überbewertet und überteuert. Aber das ist ja Gott sei Dank nicht mein Problem.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Herr Kramer, würde ich gern mit Ihnen an diesem … Problem arbeiten«, sagt Patricia Hardeland und schlägt dabei verführerisch ihre langen Assistentinnenbeine übereinander. Sie sind schlank, fest, zart gebräunt, und ihre Füße stecken in silbernen Riemchensandaletten, die mit glitzernden Steinen besetzt sind. Unter anderen Umständen würden diese Beine (und auch der restliche Körper) Fantasien in mir freisetzen, aber momentan fühle ich nur Wut. Wie kommen die beiden eigentlich dazu, mich hier gerade als einen kompletten Idioten hinzustellen?
»Falls ich es übrigens vergessen habe zu erwähnen: Frau Hardeland ist seit vergangener Woche verantwortliche Lektorin für das Ressort Psychologie und Partnerschaft«, erklärt Simon, der seinen Blick immer noch nicht von der unter ihm fließenden Elbe lösen kann.
Patricia Hardeland ist ab sofort meine Lektorin?!
»Aber was ist denn mit Frau Doktor Mühlhausen?«, frage ich fassungslos. Was ist aus der herzensguten älteren
rotwangigen Dame geworden, zu der ich seit Jahren ein gutes Verhältnis pflege? Bei der ich mich pünktlich zu jedem Veröffentlichungstermin mit einem großen Strauß dunkelroter Rosen für die Zusammenarbeit bedanke?
»Frau Doktor Mühlhausen hat geheiratet und ist zusammen mit ihrem Mann in die Nähe von Siena gezogen. Die beiden haben dort ein Haus gekauft und bieten in Zukunft Flirtseminare an.«
In Zeiten der Krise kauft sich meine ehemalige Lektorin, wahrlich keine Flirtkanone, ein Anwesen in der Toskana und spielt dort Amor und Psyche? Woher hat sie bloß das Geld dafür? Verdient man in diesem Job so gut?
»Ich würde vorschlagen, Sie begleiten Frau Hardeland jetzt in ihr Büro und besprechen dort alles Weitere. Und vergessen Sie eins nicht: Wir halten große Stücke auf Sie und setzen nicht minder große Erwartungen in Ihr neues Buch!«
Mit diesen Worten werde ich hinauskomplementiert und finde mich plötzlich zusammen mit Patricia Hardeland und ihren rattenscharfen Stilettos auf dem Verlagsflur wieder. Meine neue Lektorin öffnet die Tür zu ihrem Domizil und bedeutet mir mit korallenrot lackierten Fingernägeln einzutreten. Mit den Worten »Bitte setzen Sie sich!«, dirigiert sie mich zu einem nougatfarbenen Ledersessel, der leider etwas tief ist. So tief, dass ich mich Patricia Hardeland, die auf ihrem Bürosessel weit über mir thront, für eine Nanosekunde unterlegen fühle.
»Kaffee?«, fragt sie mit unterkühlter Stimme. Als ich wortlos nicke, drückt sie die Taste ihres Telefons und
verlangt nach Scott. Scott erweist sich als ein charmanter, wirklich gut aussehender Amerikaner, der hier gerade sein Volontariat macht, wie Frau Hardeland mir erklärt.
Die Art, wie sie auf seinen Hintern sieht, als er das Büro wieder verlässt, ist allerdings sogar mir eine Spur too much .
Fassungslos verlasse ich eine halbe Stunde später den Verlag. Ich kann immer noch nicht glauben, was da eben abgelaufen ist. Am liebsten würde ich mich auf die Stufen der Magellan-Terrassen setzen und die ganze Sache einen Moment sacken lassen. Doch das geht dummerweise nicht, weil Dominic heute Geburtstag hat und ich in Eimsbüttel noch einen Krimi abholen muss, den ich für ihn bestellt habe. Ein besonderes Buch, das eigentlich nicht mehr lieferbar ist. Doch der Besitzer der Krimibuchhandlung in der Weidenallee hat netterweise alle Hebel in Bewegung gesetzt und, voilà!, schon habe ich ein tolles Geschenk für meinen Freund.
Als ich meinen Alfa starte, läuft im Radio »We
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