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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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der linken und einen pinken Rucksack, der augenscheinlich nicht
zur Uniform gehörte, in der rechten Hand, hinter ihm im Flur. Sie räusperte
sich, biss sich auf die Lippen und schaute zu Boden. »Herr Hornbläser«, sagte
sie dann mit fester Stimme und reckte das Kinn in die Höhe. »Der Kollege unten
meinte, Sie wollten in der Sache Brinke noch eine ergänzende Aussage machen?«
    »Dann übernehmen Sie
mal, Frau Kollegin. Der Herr hier«, Hansen wies mit einem Kopfnicken auf Kai
Rokke, »wollte sowieso lieber mit Ihnen als mit mir sprechen.«
    »Danke«, murmelte
Judith. Sie öffnete die Tür zu einem der Büros, hielt sie Kai Rokke auf und
schloss sie wieder hinter ihm. »Also, was willst du hier? Ist dir noch etwas
eingefallen? Wenn nicht, dann solltest du jetzt besser gehen. Das war nämlich
genau das, was ich vermeiden wollte.«
    »Was?« Kai Rokke sah
sich um. Das Büro war einfach und zweckmäßig eingerichtet. Das einzig
Persönliche waren eine bunte Kaffeemaschine und eine Reihe seltsamer
Keramiktassen auf einem Regal darüber.
    »Meinst du, er ist
blöd?« Judith zeigte mit dem Finger auf die Wand, hinter der Kai Rokke das Büro
des Polizisten namens Hansen vermutete. »Er hat doch gehört, dass du mich
Judith genannt hast. Jetzt weiß er, dass wir uns kennen.«
    »Deswegen bin ich
hier.«
    »Damit mein Chef
davon erfährt?«
    »Ist Hansen dein
Chef?«
    »Ja.« Sie funkelte
ihn an.
    »Das tut mir leid.
Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Vermutlich hast du
das aber.«
    »Es tut mir leid«,
wiederholte er.
    »Also, was wolltest
du?« Judith sah ihn an.
    »Mit dir reden.«
    »Hier?«
    »Ich wusste nicht,
wo ich dich sonst hätte finden können. Du hast mir nicht gesagt, wo du wohnst.«
    »Worüber wolltest du
mit mir reden?«
    »Warum bist du gegangen?«
    »Das habe ich dir
doch gesagt.« Judith lehnte sich an die Schreibtischkante und legte den
Rucksack und die Dienstmütze hinter sich ab.
    »Weil ich nicht in
die Vorschriften passe?«
    »Nicht du passt
nicht. Ich darf mit dir keine private Beziehung haben.«
    »Judith, ich bin
doch nur ein Zeuge, der zufällig eine Leiche entdeckt hat. Das war kein schönes
Erlebnis für mich, das kannst du mir glauben.«
    »Vor allem, weil
deine ›Lydia‹ dabei kaputtgegangen ist?« Judith stieß sich ab, ging um den
Schreibtisch herum und zog ein Formular aus der Schublade. Dann nahm sie den
Hörer vom Telefon, tippte eine kurze Nummer ein und lauschte.
    »Nein, nicht weil …«, begann Kai Rokke, aber sie stoppte ihn mit einer knappen Handbewegung.
    »Bleuler hier. Der
Zeuge Hornbläser möchte gerne sein Modellschiff wiederhaben. Sind Sie mit der
Spurensicherung fertig? Er will abreisen.« Sie lauschte. Dann nickte sie und
legte auf. »Sie sind fertig mit dem Boot. Du kannst entweder warten, bis die
Kollegen es von Euskirchen wieder hierher zurückgebracht haben, oder es heute
Mittag selbst abholen.«
    »Ich will nicht
abreisen, Judith.« Er rührte sich nicht.
    »Kai. Ich mache hier
ein Praktikum. Es ist ein wichtiger Teil meiner Ausbildung, die ich schnell und
so gut wie möglich beenden will. Mit Ina Weinz auszukommen, ist schon schwierig
genug, da kann ich nicht noch Ärger mit dem Wachleiter riskieren.«
    »Ich verstehe«,
sagte er knapp. »Wo bekomme ich die ›Lydia‹?«
    Judith fischte einen
Zettel aus einer Box und schrieb etwas darauf.
    »Hier. Bitte.« Sie
reichte ihm das Post-it.
    Kai Rokke steckte es
in seine Hosentasche, ohne einen Blick darauf zu werfen, und wandte sich zur
Tür. »Ja, dann.«
    ***
    Der kurze
Vergleich zwischen der Radioansage und meiner Armbanduhr brachte nur fünf
verlorene Minuten zu Tage. Kurz vor neun. Ich hatte also gute Chancen, noch
pünktlich meinen Dienst anzutreten, wenn ich es schaffen würde, mich in der
nächsten Stunde in meine Uniform zu packen und nach Schleiden zur Wache zu
fahren.
    Steffen wohnte in
der Mitte der Urftseestraße, fast direkt gegenüber dem Forstamt. Von Birgits
Haus aus, das mitten in der Dreiborner Straße lag, waren es nur ein paar
Minuten Fahrzeit. An der Abbiegespur des Marienplatzes musste ich einigen Wagen
die Vorfahrt lassen. Die Stadt plante, an dieser Stelle einen Verkehrskreisel
bauen zu lassen, und ich konnte mir gut vorstellen, wie es aussehen würde, wenn
er fertiggestellt war. Mit beiden Händen hielt ich mich am Lenkrad fest und
beugte mich nach vorne. Der Motor ließ den Käfer leise vibrieren und machte
mich schläfrig. Zu früh. Viel zu früh. Vor ein paar Jahren

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