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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Andrea so wütend auf mich macht.«
    »Worauf sollte sie
denn neidisch sein?« Henrike hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie
lehnte sich gegen den Türrahmen und sah ihre Tante trotzig an.
    Birgit neigte den
Kopf zu Seite und biss sich auf die Lippen. Dann ging sie quer durch den Raum,
öffnete eine Schranktür und streckte sich nach einem Milchkännchen. »Meine
Schwester und ich haben unterschiedliche Ansichten und Ansprüche«, wandte sie
sich an mich, ohne auf Henrikes Provokation einzugehen. »Frank und ich sind
sehr erfolgreich in unserem Job als Immobilienmakler. Wir können uns das ein
oder andere leisten.« Das volle Milchkännchen landete neben meiner Kaffeetasse.
Beides bestes Porzellan einer Edelmarke. Unauffällig, aber teuer. »Bitte
schön.«
    Ich nickte.
    »Frank ist Immobilienmakler.
Du bist die Frau des Immobilienmaklers.« Henrikes Worte klangen, als ob es
nicht ihre eigenen waren, was vermutlich auch den Tatsachen entsprach.
    »Andrea ist Lehrerin
in Teilzeit und«, Birgits Blick huschte zu Henrike, »alleinerziehend. Da kann
man keine großen Sprünge machen.«
    »Wir kommen sehr gut
zurecht«, zischte Henrike, schnappte sich Hermanns Transportkiste und
verschwand über die offenen Treppenstufen hinunter ins Wohnzimmer, um sich in
der hintersten Sofaecke zu verschanzen.
    »Ach, Süße.« Birgit
ließ die Schultern hängen und sah Henrike hinterher. »Darum geht es doch gar
nicht.«
    »Worum geht es
dann?« Ich rührte in meinem Kaffee. »Zum Beispiel bei dem Streit am Telefon
vorgestern?«
    »Ich wollte sie
davon abhalten, auf dieser Demo zu sprechen.«
    »Und warum?«
    »Ach.« Birgit legte
beide Hände flach auf den Tisch und ließ sie nachdenklich darübergleiten. »Es
ist nicht gut für sie, wenn sie sich so aufspielt. Sie wird eh schon seltsam
angesehen hier.«
    »Deswegen habt ihr
euch angeschrien? Weil du um ihr Ansehen besorgt warst?«
    »Du kennst sie doch,
Ina. Sie ist so ein Dickschädel, wenn –«
    Ohrenbetäubender
Lärm schallte durch den Raum. Ein Gitarrenriff, zerstückelt von Technoklängen,
schraubte sich höher und höher in der Tonlage. Kreischend, wie in einem
Sägewerk. Ich zuckte zusammen und sprang auf. Der Kaffee schwappte über den
Rand der Tasse und hinterließ braune Spuren auf der Tischplatte.
    »Mach das leiser!«,
schrie ich über den Lärm hinweg und war schon auf dem Weg ins Wohnzimmer, als
der Krach plötzlich abbrach. »Henrike!«
    »Entschuldigung,
keine Absicht!« Henrike wedelte mit der Fernbedienung in der Luft herum und
richtete sie dann wieder auf den Bildschirm. »Jetzt hab ich es im Griff.«
    Ich verkniff mir
eine weitere Bemerkung, wandte mich wieder zur Küche um und blieb überrascht
stehen. Birgit lehnte an der Kühlschranktür, vor ihr auf dem Boden lagen einige
lose Werbeprospekte und Briefumschläge. Ihr Gesicht war weiß, und ihre Hände
zitterten.
    »Birgit? Geht es dir
nicht gut?« Ich ging zu ihr und fasste sie am Arm. Sie reagierte nicht.
»Birgit?«, fragte ich erneut und schüttelte sie ein wenig. Sie schloss die
Augen und schluckte. Aus ihrem Körper entwich die Anspannung, und sie schien
ein paar Zentimeter an der glatten Oberfläche des Kühlschranks
hinunterzugleiten. Langsam atmete sie ein und wieder aus.
    »Es ist schon gut.
Danke, Ina.« Immer noch zitternd und wie eine alte Frau gebeugt ging sie zum
Küchentisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Es ist nichts.« Sie
lächelte unsicher, aber die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück.
    Ich drehte mich zu
Henrike um. Keine Absicht. Schon klar.
    »Macht dir das
nichts, wenn sie sich so verhält?«, fragte ich Birgit, während ich das Papier
vom Boden aufhob. Dabei fielen mir Kontoauszüge auf den Namen Frank Vorhaus
auf, die halb aus einem Briefumschlag gerutscht waren. Das Minuszeichen vor der
Endsumme hätte mich an Franks Stelle nicht mehr gut schlafen lassen. Schnell
schob ich die Auszüge wieder in den Umschlag und legte ihn auf den Packen mit
den anderen Unterlagen. Ich wusste nicht, welche Geheimnisse die Eheleute
Vorhaus voreinander hatten, und wollte mich auch nicht unnötig einmischen. Für
Birgit schien die Welt ja, zumindest was das Finanzielle anging, in bester
Ordnung zu sein. Ich setzte mich wieder und nahm einen Schluck von dem
mittlerweile kalt gewordenen Kaffee.
    Birgit hatte
anscheinend nichts von meinem unerwarteten Einblick in ihre
Privatangelegenheiten bemerkt und zog bedauernd die Schultern hoch. »Es war mal
anders. Wir haben ja nie so viel

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