Luftkurmord
wenn er es will.« Hermann hielt den Autoschlüssel hoch, aber Alfons
Brinke ging über den Parkplatz des Altenheims, ohne den Anschein zu erwecken,
in ein Auto steigen zu wollen. Stattdessen wandte er sich in Richtung Kurpark.
»Gehst du wandern,
Alfons?«
»Ja. Zur Hütte.«
»Ist es weit bis zur
Hütte?«
»Weit. Ja. Es dauert
lange.« Er krempelte die Ärmel hoch.
»Alfons.« Hermann
fasste ihn behutsam an der Schulter. »Wenn es so weit ist, sollen wir dann
nicht lieber auch Proviant mitnehmen?«
»Etwas zu essen und
zu trinken. Das ist eine gute Idee.« Alfons Brinke drehte sich abrupt um und
ging den Weg wieder zurück. Wir folgten ihm.
Ich war mir nicht
sicher, ob die Aktion damit schon beendet war. »Hat uns das jetzt
weitergebracht? Kannst du damit etwas anfangen?«, fragte ich Hermann.
Er blinzelte in die
Sonne, die sich ihren Weg durch die Blätter der Bäume bis zu uns bahnte. »Seine
Familie hatte vor Jahren einmal eine kleine Jagdhütte, oben auf der Hirschley.
Da, wo sie jetzt diesen neuen Wanderpfad angelegt haben, den ›Wilden Kermeter‹.
Aber ich weiß nicht, ob diese Hütte überhaupt noch da ist. Ich war seit
Ewigkeiten nicht mehr oben im Kermeter.«
»Von der Richtung
her könnte es passen, wenn er gestern die Dürener Straße hinaufgefahren ist. In
der anderen Richtung, im Ort, wäre er sicher schnell entdeckt worden.«
»Willst du einen
deiner Kollegen informieren?«
»Sauerbier und
Hansen würden mir vermutlich liebend gern den Hals umdrehen, wenn sie wüssten,
was ich hier schon wieder treibe.«
»Aber Sie sollten
auf keinen Fall allein gehen, Ina. Wenn wirklich jemand der Drahtzieher von
alldem ist und er bereits zwei Menschen auf dem Gewissen hat, wird er vor einem
dritten Mord auch nicht zurückschrecken«, mischte sich Amalie Eckhaus ein. Ich
bemerkte ihre echte Besorgnis um mich.
Ich erwiderte
Amalies Blick. »Wenn Frank Vorhaus wirklich unser Mann ist, glaube ich kaum,
dass er sich noch dort versteckt hält. Das hieße ja, er hätte seine Frau
getötet, in den Nationalpark gebracht und wäre dann wieder zurückgefahren. Ich
habe aber heute Morgen mitbekommen, dass der Fundort nicht der Tatort ist.« Die
Art, wie Amalie Eckhaus mich ansah, das zugewandte Lächeln und die Wärme in
ihrer Stimme erinnerten mich an meine Mutter, und ich stellte mir vor, wie sie
wohl heute aussehen würde. »In der Hütte könnte es Hinweise geben, die uns
weiterhelfen. Aber in erster Linie geht es jetzt darum, Andrea zu finden.« Ich
widerstand dem Drang, ihr über den Handrücken zu streichen.
»Trotzdem. Ruf
Steffen an«, schlug Hermann vor. »Er kennt sich bestens aus da oben.«
»Er musste zu seiner
Mutter, und außerdem will ich ihn nicht immer um Hilfe bitten.«
Hermann zog eine
Augenbraue hoch.
»Alles in Ordnung
zwischen dir und Steffen?«
»Später.«
Hermann seufzte.
»Also nicht.«
»Nicht jetzt.«
»Kennst du dich im
Wilden Kermeter aus?«, lenkte er ein.
»Ich weiß nur das,
was Steffen mir erzählt hat. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich
bisher noch nicht da gewesen bin.«
»Ist das nicht die
Route, auf der man auch die alten Köhlerplätze sehen kann?«
Ich nickte. »In der
Zeitung stand, dass es jetzt ein behindertengerechter Wanderweg ist. Für Alfons
dürfte es also kein Problem gewesen sein, seine Hütte zu finden.«
»Dann stimmt es. Ich
erinnere mich, ganz früher einmal mit ihm dort gewesen zu sein. Das ist lange
her. Da lebte seine Frau noch, und ich glaube, ihr wart noch nicht geboren.«
Hermann lächelte seiner Erinnerung hinterher. »Wir sind abends in den Wald
gegangen. Eine gute Flasche Wein, nette Freunde und dann dieser wirklich
phantastische Ausblick auf den Rursee.«
»Weißt du, wo genau
die Hütte steht?«
Hermann runzelte die
Stirn. »Wenn ich mich recht erinnere, war es an einer Waldkreuzung in der Nähe
der Landstraße, etwas abseits vom Weg. Das dürfte nicht schwer zu finden sein.«
»Gibst du mir deinen
Autoschlüssel?«, fragte ich und hielt die Hand auf. »Ich will nicht riskieren,
mit dem Käfer liegen zu bleiben.«
»Und ich will nicht
riskieren, dass dir etwas geschieht.« Hermann verschränkte die Arme vor seiner
Brust. »Also, Fräulein. Du wirst nicht allein dort hinaufgehen.«
»Pap. Ich bin …« Ich
verstummte. Er hatte recht. Es wäre totaler Leichtsinn, die Sache allein
durchzuziehen. Ich wusste nicht einmal ansatzweise, was mich dort erwartete.
Von der einsam gelegenen, verlassenen Waldhütte bis zum wenig
Weitere Kostenlose Bücher