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Luftschlösser

Luftschlösser

Titel: Luftschlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Nitzsche
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durften sie nun endlich wieder zu neuem Leben erwachen und mit ihrer Schönheit glänzen. Erstaunlich, sogar Davids Linoleum passte hervorragend dazu. Noch erstaunlicher war, dass die neuen Elektrogeräte kaum als neu auffielen. Sie passten sich ihren alten Nachbarn nahtlos an, ohne dominant zu wirken. Genau so hatte sie es sich vorgestellt. Bevor sie von einer Welle der Sentimentalität erfasst werden konnte, verließ sie die Küche, um in ihrer Tasche auf dem Fensterstock nach ihrer Kamera zu suchen. Im Licht der letzten abendlichen Sonnenstrahlen sah alles geradezu kitschig perfekt aus. Ob Charles jemals würdigen konnte, wie viele Gedanken sie sich bei dieser Einrichtung gemacht hatte? Vermutlich nicht.
    „Du bist eine Idiotin”, schalt sich Persephone. „Man soll nicht merken, welche Arbeit dahintersteckt. Man soll sich nur am Endergebnis erfreuen. Also nimm’ dich zusammen, sentimentale Kuh!”

6
     
    Charles Manning stand seit einer gefühlten Viertelstunde unter der Dusche und ließ lauwarmes Wasser auf seinen schlanken Körper prasseln. An diesem Tag hatte er den Vormittag verschlafen, dann vom Bett aus ferngesehen und sich am Nachmittag dazu aufgerafft, erst schwimmen zu gehen und danach zu joggen, bis er so fertig gewesen war, dass er um ein Haar den Weg zurück ins Hotel nicht geschafft hatte. Die Weisheit, man solle sich mal eine Auszeit nehmen und abschalten, wenn sich die Gedanken im Kreis drehten, konnten sich die klugen Leute getrost an den Hut stecken. Bei ihm hatte diese Taktik nicht gefruchtet, denn sein Gedankenkarussell drehte sich munter weiter. Er hatte bei jedem Schwimmzug, bei jedem Schritt, bei jedem Atemzug darüber gegrübelt, was er anders oder besser machen konnte, um sich Persephone deWinter wieder anzunähern. Freundliche Worte reichten offensichtlich nicht aus, um das Eis zu brechen. Das Ergebnis dieser Grübelei ließ ihn nicht besonders clever oder helle erscheinen, denn es ließ sich auf ein einziges Wort reduzieren: Nichts. Er konnte nichts daran ändern, dass sie ihn nicht mochte. Sie hatte eine Abneigung gegen ihn, von der er sie nicht abbringen würde. Außerdem waren sie einander fremd geworden. Charles konnte nur hoffen und beten, dass er sich bei ihren nächsten Begegnungen nicht noch unbeliebter machte. Dumm nur, dass man immer das am meisten wollte, was sich in unerreichbarer Ferne befand. Wie hatte sein Dad damals eigentlich seine Mom erobert? Er würde ihn bei seinem nächsten Besuch danach ausfragen. Warum eigentlich nicht sofort, bei einem spontanen Abendessen?
     
    „Hi, Mom! Ich dachte mir, es wäre an der Zeit für einen ungeplanten Besuch bei meinen Lieblingseltern”, grüßte Charles seine Mutter, die ihm mit dem Ausdruck größter Verwunderung die Haustür geöffnet hatte.
    „Das nenne ich mal eine Überraschung! Komm’ rein, mein Junge. Du hast nicht zufällig geahnt, dass dein Dad den Grill angeworfen hat?” Patricia Manning nahm ihrem Sohn den Blumenstrauß ab, den er ihr die ganze Zeit entgegengestreckt hatte.
    „Habe ich nicht. Ich muss aber zugeben, dass ich gehofft hatte, es würde etwas Gutes zum Abendessen geben”, erwiderte Charles mit einem entschuldigenden Schulterzucken. Dass er noch etwas mit seinem Vater zu besprechen hatte, hob er sich für später auf.
    „Hallo, Charly. Sag’ bloß, du hast die Grillkohle bis nach Manhattan gerochen?”, zog ihn sein Dad zur Begrüßung auf. „Oder weshalb ehrst du uns sonst mit einem Besuch?”
    Charles musste lachen. Den Qualm, der aus dem Grill quoll, konnte man wirklich durch die halbe Stadt sehen und auch fast so weit riechen. Seine Eltern waren vor ein paar Jahren in diesen friedlichen Vorort gezogen, um ihre Ruhe vom Großstadtrummel zu haben. Seitdem hatten sie sich der Ruhe und Gemütlichkeit der Kleinstadt vollständig angepasst.
    „Ertappt. Die New Yorker Feuerwehr hat mich vorgeschickt, um den Ursprung dieser dunklen Wolken ausfindig zu machen. Meinst du, das Ding heute noch in Gang zu kriegen?”
    „Nur Geduld. Es gibt keinen Grill dieser Welt, den Sebastian Manning nicht zum Glühen bringen kann”, gab der ältere Manning augenzwinkernd zurück.
    Tatsächlich - nur eine Stunde später hatte Patricia Manning das Privileg, die ersten Steaks auf den heißen Rost legen zu dürfen. Sie verstand auch nach all den Jahren mit ihrem Mann nicht, weshalb die Kerle im Haushalt keinen Handgriff taten, aber eine geradezu absurde Geschäftigkeit an den Tag legten, wenn es darum ging, Fleisch zu

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