Luftschlösser
ärmer und New York hätte immer noch nichts mit den Hamptons gemeinsam.” Wieder eine Kunstpause, dann: „Soweit die Worte, die Miss deWinter an uns Leser gerichtet hat.”
Während alle anderen Gäste höflich Applaus spendeten, versuchte Charles das Gehörte zu verarbeiten. Sein Mund war beim Zuhören trocken geworden. Das Schlucken fiel ihm dadurch schwer. Zum Ausgleich hatte sich die Flüssigkeit in seinen Augen gesammelt und war kurz davor, über die Ufer zu treten. Wenn er nicht schleunigst von dieser Veranstaltung verschwand, würde er den Eindruck eines gefühlsduseligen Weicheis erwecken. Auf seinem Weg zum Ausgang schalt er sich dafür, das Exemplar des Buches, das man ihm vorab zugesandt hatte, nie ausgepackt zu haben. Er hatte es verärgert beiseite gelegt und seitdem keines Blickes mehr gewürdigt.
***
Im Büro brannte Licht. Charles stellte den Motor ab. Höchste Zeit, Sephi einen Besuch abzustatten. Voller Entschlossenheit trat er seinen Weg zur Eingangstür an und trat ohne vorheriges Anklopfen ein. Doch statt Persephone bei der Arbeit zu erwischen, schaute ihm Trish erstaunt in die Augen.
„Was machst du denn hier?”, fragte sie entgeistert.
„Ich suche nach Persephone. Gegenfrage: Was machst du um diese Zeit noch hier? Es ist nach vier. Und das an einem Samstag.”
„Ich warte noch auf einen wichtigen Anruf. Edward schmeißt den Laden wieder und hat mich gebeten, dieses Telefonat noch für ihn zu erledigen.” Sie zuckte lustlos mit den Schultern.
Charles zog die Stirn in Falten. „Wie? Edward hat das Geschäft wieder übernommen? Weshalb?”
Die Antwort war Trish unangenehm. Man konnte es schon allein daran sehen, dass sie begonnen hatte, nervös an ihrem Ohrläppchen zu zupfen.
„Seit Perry weg ist, habe ich hier allein die Stellung gehalten, aber das Geschäft konnte nicht ewig unbesetzt bleiben, also hat sich Edward erbarmen müssen.”
„Ich verstehe das alles nicht. Wie lange wird Sephi denn weg bleiben?”
Wieder zuckte Trish mit den Schultern. „Kann ich dir nicht sagen. Am besten, du gehst rüber in die Wohnung und redest mit Edward persönlich. Ich schätze, er weiß über alles Bescheid.”
Dieser Anregung folgte Charles nach einer kurzen Verabschiedung, die durch das Läuten des Telefons unterbrochen wurde.
„Edward?” Er klopfte an die Wohnzimmertür, trat aber nicht ein.
„Charly, bist du das? Komm’ rein, Junge.” Ed saß auf der Couch vor dem Fernseher. Auf seinem Schoß lag zusammengerollt eine rotgetigerte Katze und schnurrte leise vor sich hin. „Ich ahne, weshalb du da bist. Setz’ dich zu mir, bitte.”
Charles nahm Platz und kam ohne Umschweife zur Sache. „Wo ist Persephone?”
Edward deWinter hüllte sich in Schweigen. Nur das Schnurren der Katze und das Ticken der Kaminuhr ließen sich vernehmen.
„Bitte.”
„Ich weiß es nicht genau, Charly. Sie ist vor ein paar Wochen abgereist und meldet sich nur sehr selten. Ursprünglich wollte sie nach Schottland. Wir haben dort einen alten Bekannten in Crieff, den sie besuchen wollte. Ob sie noch dort ist, kann ich dir nicht sagen.”
Das verwirrte Charles vollends. „Warum ist sie verreist? Bei der Buchpräsentation hieß es, sie könne aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein. Was wird hier gespielt, Edward?” Die letzte Frage hatte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen.
„Nach eurem gemeinsamen Abend kam sie zu mir, völlig fertig und verheult, und hat um Hilfe gebeten. Danach ist sie vor meinen Augen zusammengebrochen. Ich habe sie sofort ins Krankenhaus bringen lassen. Dort hat man Persephone dann gründlich durchleuchtet, konnte aber kein körperliches Gebrechen finden. Die Diagnose, die der Arzt letztendlich gestellt hat, lautete Nervenzusammenbruch, ganz altmodisch. Wenn du den modernen Ausdruck dafür bevorzugst, kannst du es auch Burn-Out nennen.” Er seufzte schwer. „Die haben sie dann eine Woche da behalten und wollten auch gern noch weiter an ihr herumkurieren, aber Persephone hat sich selbst entlassen und ihre Koffer gepackt, um Abstand zu gewinnen.” Wieder seufzte Edward, dann beäugte er Charles argwöhnisch. „Ich weiß ja nicht, was an diesem Abend zwischen euch vorgefallen ist, aber es hat Persephone völlig aus der Bahn geworfen.”
Dieser Bemerkung hatte eine Frage innegewohnt, und Charles sah sich genötigt, darauf zu antworten.
„Wir hatten eine gute Zeit. Ich habe für uns gekocht, danach haben wir getanzt. Dabei habe
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