Luftschlösser
ihn neulich bei deinem Besuch nicht gesehen?”
„Nein, habe ich nicht”, gab Charles leise zurück. Er war so sehr damit beschäftigt gewesen, Sephi zu begaffen, dass er den Kater nur bemerkt hätte, wenn er ihm mitten ins Gesicht gesprungen wäre.
„Dann lag er sicher unter ihrem Bett, der faule Kerl.” Edward lachte kurz auf, dann reichte er Charles den Notizzettel. „Viel Glück, mein Junge. Sieht aus, als könntest du es brauchen.”
„Danke. Das werde ich dir nicht vergessen.”
2
Eine Fahrt mit leicht überhöhter Geschwindigkeit durch das abendliche New York später saß Charles an seinem Laptop und versuchte, den Ort namens Crieff zu finden. Aha, Schottland. Kleinstadt, deshalb kein Flughafen. Er zog den Kartenausschnitt weiter auf. Von Glasgow oder Edinburgh aus müsste man mit einem Leihwagen leicht hinkommen. Die nächstmögliche Direktverbindung, die er auf die Schnelle sehen konnte, war eine von Newark nach Edinburgh an diesem Abend. Wenn er schnell packte, konnte er es schaffen, den Flug um 20:10 Uhr zu erwischen. Kreditkartennummer eingeben, Buchung bestätigen, zack.
Charles rannte hoch in sein Schlafzimmer, schnappte sich seine Reisetasche und warf wahllos Jeans, Hemden, Socken und Pullover hinein. In Schottland würde es um diese Jahreszeit sicher schon unangenehm kalt sein. Zahnbürste und Rasierzeug nicht vergessen... Oh, und Shampoo! Ein Taxi! Er brauchte dringend ein Taxi! Tief durchatmen, keine Panik - wenn sich in dieser Stadt etwas schnell auftreiben ließ, dann ein Taxi.
Bei einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr und einem weiteren in seine Reisetasche musste Charles einsehen, dass er kein Genie im Last-Minute-Packen war. Das Tohuwabohu in der Tasche konnte man bestenfalls als liederlich bezeichnen. Trotzdem war seit seiner Ankunft in seiner Wohnung schon etwas mehr als eine halbe Stunde vergangen. Allerhöchste Zeit, zum Flughafen aufzubrechen. Der Reißverschluss ging gerade noch so zu, also war alles halb so tragisch. Charles schlang sich die lederne Tasche über die linke Schulter, warf einen schnellen Blick zurück und dachte gerade noch so daran, die Alarmanlage anzuschalten. Persephone hatte den Code dafür festgelegt, einen Code, den er sich mit Sicherheit merken konnte - das Hochzeitsdatum seiner Eltern.
Der Fahrstuhl trödelte auf dem Weg ins Erdgeschoss. Wie immer, wenn man es besonders eilig hatte. Unten auf der Straße rief Charles so laut und energisch nach einem Taxi, dass eine alte Dame ihren kläffenden Terrier verängstigt beiseite zog. Drei der gelben Autos fuhren ungerührt vorbei, das vierte scherte aus dem Verkehr aus und hielt am Straßenrand an.
„Zum Flughafen, aber bitte flott”, forderte Charles, kaum, dass er eingestiegen war und sein Gepäck neben sich auf den Rücksitz geschleudert hatte.
Der Fahrer rührte sich nicht.
„Zum Flughafen, bitte!”, wiederholte Charles mit mehr Nachdruck.
„Ich habe Sie verstanden, Sir”, entgegnete der Fahrer gelassen. „Sie sollten mir aber verraten, zu welchem Flughafen ich Sie ganz flott fahren soll.”
Oh, natürlich, der Punkt ging an den Mann, dessen Plakette ihn als Abdul Omar Mustafi auswies. „Nach Newark, bitte.”
„Okay, Boss. Wird gemacht.”
Abdul Omar Mustafi schien eine besondere Antenne dafür zu haben, dass sein Fahrgast auf glühenden Kohlen saß, denn er fädelte sich zügig in den Verkehr ein und gab sich große Mühe, durch gezielte Drängelei dem Flughafen so schnell wie möglich näher zu kommen. Schließlich sah der junge Mann auf dem Rücksitz nach einem guten Trinkgeld aus. Mustafi wurde nicht enttäuscht, denn er kassierte für seine halsbrecherische Fahrweise tatsächlich einen mehr als großzügigen Bonus.
***
Charles lief eilig durch die Flughafenhalle, erledigte in Windeseile alles Notwendige und zwang sich an der Gepäckkontrolle zur Ruhe. Wenn die Beamten einen extrem nervösen Mann mit unordentlicher Reisetasche vor sich hatten, würden sie unter Garantie sein Gepäck filzen wollen. Einatmen, ausatmen, bis zehn zählen, einatmen nicht vergessen. Wie lange dauerte das denn noch?
„Sir?” Die uniformierte Beamtin legte den Kopf schief.
„Hm?” Offenbar hatte sie ihn nicht zum ersten Mal angesprochen. Charles lächelte etwas schmierig.
„Bei Ihnen ist alles in Ordnung. Sie können weitergehen.”
„Danke. Vielen Dank.” Genug des Dankes. Fehlte nur noch, dass er der Frau um den Hals fiel. Dann würden sie ihn sofort aus dem Verkehr ziehen.
Er
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