Luftschlösser
Horde selbstverliebte Sportler gehalten hatte.
„Freut mich, dass du das so siehst. Ich hatte schon befürchtet, dieser Wesenszug wäre dir abhanden gekommen. Dass das hinter den dicken Burgmauern immer noch du bist, beruhigt mich sehr.” Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Diese Geste hatte für beide nichts Romantisches. Sie war vielmehr eine Erinnerung an früher, an die ungezählten Gelegenheiten, bei denen der Ältere auf die Jüngere hatte aufpassen müssen. Als kleines Mädchen hatte Sephi den einschränkenden Griff gehasst, jetzt stahl sich ihr Arm um seine Hüfte. So änderten sich die Zeiten.
„Gegenfrage: Wie gefallen dir die Bilder in deiner Wohnung?”
Der plötzliche Themenwechsel zeigte, dass Sephi ihre Worte ernst gemeint hatte und zwang Charles schon wieder zum Nachdenken.
„Die meisten habe ich auf Anhieb gemocht. Die Pirelli-Mädels habe ich zum Beispiel sofort ins Herz geschlossen.” Weil er förmlich spüren konnte, wie Persephone die Augen verdrehte, drückte er sie etwas fester an sich. „Aber Spaß beiseite. Ich hatte mit zwei Bildern echte Probleme. Hals und van Gogh wollte ich nach der ersten Betrachtung sofort verbannen.”
„Dachte ich mir. Die waren ein Wagnis”, warf sie ein.
„Warte ab, ich bin noch nicht fertig. Ich stand zuerst vor der Amme mit dem Kind, hatte schon die Arme ausgestreckt, um das Bild abzuhängen, dann habe ich genauer hingesehen, die Arme wieder sinken lassen und stand schließlich eine geschlagene Viertelstunde davor, weil mich diese beiden Gesichter und dieser Goldbrokat nicht mehr losgelassen haben. Da hattest du mich dann. Das Bild durfte bleiben.”
„Ich wusste, dass dich die Details kriegen würden.”
„Der van Gogh ging schneller”, fuhr Charles fort. Da musste ich nur ein paar Minuten hinschauen, um ergriffen zu sein. Es ist absurd, dass dieses Bild genau das ausstrahlt, was dem armen Kerl ein Leben lang am meisten gefehlt hat - Liebe. Damit war dann auch das Bild genehmigt. Mit den anderen hast du ein paar ziemliche Volltreffer gelandet, besonders mit einem.” Er drehte Sephi zu sich, um seine Lippen zärtlich auf ihren Mund zu drücken. „Du ahnst ja nicht, welche Gedanken mir beim Betrachten des Klimt durch den Kopf gegangen sind.”
„Doch, ich glaube schon.” Sie leckte sich hungrig über die Lippen, bevor sie sich an ihn lehnte und seinen Mundwinkel küsste. Im Handumdrehen hatte sie ihn so weit, ihr seinen Mund zu öffnen, ihrer tastenden Zungenspitze mit seiner zu begegnen und sie wieder dieses unbändige Feuer entbrennen zu lassen.
„Du hast die Büchse der Pandora geöffnet. Damit musst du leben, fürchte ich”, neckte sie ihn, nachdem sie ihn wieder freigegeben hatte.
„Nichts lieber als das.”
„Mich wundert es, dass du es mit deinen Talenten nicht geschafft hast, die Frauen dauerhaft zu halten”, fuhr Persephone sachlich fort.
„Mit denen war es anders. Diese Vertrautheit, die wir beide haben, hat es bei anderen Frauen für mich nie gegeben. Sie sind immer Fremde geblieben und auch als solche wieder aus meinem Leben verschwunden. Viele waren es obendrein auch nicht.” Das war der unschätzbare Bonus, den ihre lebenslange Bekanntschaft mit sich brachte - schonungslose Aufrichtigkeit. Es war nicht nötig, Tatsachen schönzufärben oder beschämt herumzudrucksen. Sie hatten einander schon vor vielen Jahren vollständig durchschaut. Lügen wäre also zwecklos gewesen.
„Dann bin ich ein ausgesprochen glückliches Mädchen”, stellte Sephi fest.
Sie waren wieder am Haus der MacDonalds angekommen und konnten das Geräusch des Webstuhls bis nach draußen hören.
„Ob ich mir das mal anschauen darf?” Charles hatte keine Vorstellung davon, wie so ein Ding funktionierte.
„Sicher.” Persephone öffnete die Tür. „Hallo, Dougal. Ich bringe dir einen neuen Lehrling vorbei.”
„Wenn das so weitergeht, haben wir hier bald eine richtige Firma beisammen”, erwiderte MacDonald lachend.
Charles hatte sich inzwischen über den fertig gewebten Stoff gebeugt und ihn vorsichtig berührt. Sein Interesse an der Technik, die dessen Entstehung zugrunde lag, überwog in diesem Moment alles andere. Persephone ließ die beiden Männer allein, weil sie Dougal und Morag in den vergangenen Wochen oft genug beim Weben zugesehen hatte und wusste, wie der Webstuhl funktionierte. Dass einen Mann die ungewöhnliche Konstruktion begeistern würde, war klar. Man musste bei einem stillgelegten Fahrrad in die
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